Mitten in Sauerlach:Von Sprayern und Deppen

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Die Lokalpolitiker ärgern sich über Schmierereien und denken darüber nach, selbst zur Dose zu greifen

Von Michael Morosow

In der Malerei kann mitunter auch der Laie zwischen Schmierern und Künstlern unterschieden. Und Künstler, so weiß man im Sauerlacher Gemeinderat, sind es ganz gewiss nicht, die seit Monaten Wände im Bahnhoftunnel und andernorts mit rassistischen Sprüchen und Nazisymbolen oder linken Parolen verunstalten. Eher sind es Schmierfinken, deren Geist und Witz deutlich weniger von der sprühenden Art sind wie die Farbspraydosen, mit denen sie sprachlich Ungelenkes und künstlerisch Wertloses an Wände spritzen. Deppen halt. Auf diesen bayerischen Sammelbegriff für geistige Tiefflieger könnte man sich jedenfalls mit Gemeinderat Peter Frimmer verständigen. Als sich sein Fraktionskollege Götz von Borries in der jüngsten Gemeinderatssitzung wieder einmal über die Schmierereien echauffierte und das halbe Gremium über Möglichkeiten räsonierte, die ekelhaften "Tags" zu beseitigen respektive den oder die Sprayer dingfest zu machen, wartete Frimmer mit einem extravaganten Vorschlag auf: "Dann sprühen wir einfach drüber: Graffiti-Sprayer sind Deppen."

Das wäre zwar kurz und knackig und auch der Farbenverbrauch hielte sich in Grenzen. Aber alle Graffiti-Sprayer über einen Kamm zu scheren, quasi eine ganze Kunstbewegung an die Wand zu stellen, das wollte Frimmer sicher nicht. Zumal es durchaus im Sinne der Gemeinde war, als im August 14 Mädchen und Buben in einer Ferienaktion der Volkshochschule der öden Fußgängerunterführung mit kleinen Kunstwerken einen bunten Anstrich verliehen. Unter Anleitung eines Profis, der - wohlgemerkt - kein Depp ist, sondern Grafikdesigner und Fassadengestalter. Er war auch nicht Mitglied der "Gang of Criminals", einer Sauerlacher Jugend-Gang, die vor Jahren mit Spraydosen loszog. Beamte der Münchner Kriminalpolizei kamen dem Trio schließlich auf die Spur.

Auf einen ähnlichen Erfolg hofft Götz von Borries, der die gesprühten Nazi-Parolen als Schande für den Ort betrachtet. Wahrscheinlich hätte er nichts dagegen, wenn er eines Tages statt rassistischer Sprüche "Graffiti-Sprayer sind Deppen" lesen könnte. Allerdings könnte es für sein Seelenheil abträglich sein, wenn er eines Tages dahinter den Zusatz lesen müsste: "Aber schneller als die Polizei."

© SZ vom 27.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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