Mitten in Pullach:Zu schön, um wahr zu sein

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Für Menschen aus Cuxhaven oder Duisburg ist ein Besuch in Pullach ein Kulturschock. Nur gut, dass man sich im Isartal Gedanken über eine Belebung macht

Kolumne Von Claudia Wessel

Kürzlich war Besuch da. Eine Dame aus Cuxhaven, die dort bei einem Schiffsausrüster arbeitet. Ein Herr aus Duisburg, der dort in einem Vorort-Ghetto, das eigentlich keiner freiwillig betritt (seine Worte), als Lehrer schwierige Klassen unterrichtet. Schon München war für die beiden, die zufällig zusammen da waren und sich vorher nicht kannten, unheimlich. Gelb leuchtende, frisch gestrichene Häuser, saubere U-Bahnen und weiß-blauer Himmel. Wenigstens hatte man noch unter Massenandrang zu leiden.

Als sie aber erst nach Pullach kamen an einem heißen Sommernachmittag, wo mit Geklingel die Schranken heruntergehen, sie ganz alleine waren beim Rundgang über den kleinen Friedhof und auf der Terrasse des Gasthauses Rabenwirt sofort Plätze mit Blick über das Isartal fanden, wurde es ihnen endgültig zu viel. Bayern sei einfach "zu schön" befanden sie, und insofern nicht real. "Das ist nicht das wirkliche Leben", beschlossen sie.

Vielleicht geht es manchen Gemeinderäten in Pullach genauso, weshalb sie gegen die irreale Idylle in Pullachs Ortszentrum dringend etwas tun müssen. Drei, vier Damen, die abends im SUV umherfahren und meist problemlos einen Parkplatz kriegen, ein Bouleplatz, der fast immer leer ist und Raum zu entspanntem Sitzen bietet, ein paar wohlsituierte Senioren, die vom Rabenwirt zum Café Dolce wechseln.

So entspannt geht es einfach nicht weiter. "Frequentierung" muss her, wie unter anderem SPD-Gemeinderat Holger Ptacek findet, also mehr Menschen. Er möchte auf der Bahnhofswiese ein kleines Einkaufszentrum entstehen lassen, mit vielen neuen Konsummöglichkeiten, einem "Atrium", in dem man sich nach dem Einkaufen aufhalten kann, einfach mehr Unruhe eben, Pardon, mehr Leben.

Nur Angelika Metz von der Wählergruppe "Wir in Pullach" findet es nicht irreal. Sie wohnt am Kirchplatz und genießt die Ruhe, bisher. In fünf Jahren aber wird es wohl anders aussehen. Dann können wir die Besucher wieder hinführen, dann gibt es in der Idylle vielleicht wenigstens auch Massenandrang.

© SZ vom 21.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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