Mitten in Ottobrunn:Genscher hinter Plexiglas

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Wie es kommt, dass ein Plakat des früheren Außenministers in diesem Wahlkampf wieder auftaucht

Von martin mühlfenzl

Vielleicht sollte die Ottobrunner FDP bei einem ihrer besser verdienenden Sympathisanten nachfragen, ob er nicht ein paar Plakatständer für den Wahlkampf springen lässt. Der Gönner könnte die Spende sicher von der Steuer absetzen, was ja im Sinne der Steuer-Verhinderungs-Partei wäre. Derart nass geht es dem FDP-Ortsverband aber doch noch nicht rein. Obwohl sich in den vergangenen Tagen der Eindruck aufdrängte, die Liberalen würden nicht über ausreichend "Hardware" verfügen, wie sie in der Wahlkampfzentrale von Parteichef Christian Lindner in Berlin sicher sagen würden.

Hans-Dietrich Genscher war den Ottobrunnern auf einem Plakatständer des Ortsvereins erschienen. Und manch einer wird sich gefragt haben, ob es sich um einen PR-Gag handelte und der 2016 verstorbene Übervater der FDP den Liberalen im Landkreis und ihrem Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Jimmy Schulz, posthum den nötigen Kick für die heiße Phase des Wahlkampfs geben sollte. Zwar verehren auch die Ottobrunner Liberalen ihre Ikone über die Maßen, doch Genschers Wiederkehr ist angeblich einem Zufall geschuldet.

2013 kam er auf dem Plakatständer erstmals wieder zum Vorschein, als Regen die darüber liegenden Schichten späterer Wahlkampf-Schlachten wegspülte. Der langjährige Außenminister erwies sich als sehr widerstandsfähig. Die Mitglieder entschieden, das 30 Jahre alte Plakat mit einer Plexiglasscheibe zu konservieren, den Ständer aber weiter zu verwenden und neue Plakate nur noch mit Klebeband davor zu hängen. Beides - die Scheibe und ein Plakat für eine Veranstaltung von Jimmy Schulz - wurden unlängst geklaut. Und Genscher feierte sein Comeback.

Nun kann es sein, dass sich in anderen Parteien mancher die Frage stellt, wer für sie unerwartet plötzlich Werbung machen könnte. SPDler etwa dürfte beim Blick nach oben in der Erwartung des nächsten Regenschauers davor grauen, dass die neuen Plakate von Bela Bach abbröckeln und alte Poster von 1990 mit dem Konterfei des abtrünnigen Oskar Lafontaine auftauchen. Den würden selbst traditionsbewusste Sozialdemokraten nicht konservieren, sondern noch eher mit Hans-Dietrich Genscher überkleben.

© SZ vom 09.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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