Mitten in Oberhaching:Wege aus der Therapiefalle

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Irgendwann schreit man dann eben los. Oder doch nicht? Die Sozialpädagogin Daniela Bock kennt sich in der Welt der Ratgeber aus - und weiß, dass Brüllen nicht immer schlimm sein muss

Von Iris Hilberth

Es gibt heutzutage eigentlich keine Herausforderung des täglichen Lebens, zu der nicht schon irgendjemand seitenweise seine Gedanken niedergeschrieben hat. Die Ratgeberliteratur boomt ohne Ende. Insbesondere wenn es um Kinder- und Erziehungsfragen geht, findet man garantiert stapelweise schlaue Tipps. Die Elternbücher reichen von "Lass es raus", einer Anleitung zum Gebären, über den "Leitfaden für faule Eltern" bis hin zu "Kinderkacke - das ehrliche Elternbuch." So gut informiert und therapiert war vermutlich keine Elterngeneration zuvor. Sie hat sich durch ganze Regale voller Ratgeberbücher durchgearbeitet, die ihr mal humorvoll, mal oberlehrerhaft den Weg weisen. Und trotz allem ist es manchmal einfach zum Brüllen, findet offenbar die Sozialpädagogin Daniela Bock und bietet daher an diesem Donnerstag in der Oberhachinger Volkshochschule das Seminar "Wege aus der Brüllfalle" an.

Ihre Zielgruppe sind laut Programmankündigung alle, die folgende Situation kennen: "Sie sagen Ihrem Kind nett und freundlich, was Sie von ihm möchten, aber es hört nicht auf Sie. Nach dem dritten Mal nett und freundlich, werden Sie schon etwas lauter. Letzte Warnung. Keine Reaktion. Und irgendwann schreit man eben dann los." Oder auch nicht, wenn man es macht wie Daniela Bock. Dabei ist Brüllen gar nicht immer so negativ besetzt wie bei diesem speziellen Seminar. Manche buchen das genaue Gegenteil und zahlen viel Geld für eine Schreitherapie, etwa bei einer Heilpraktikerin, die verspricht, mit ihren Patienten "die richtige Technik zu erarbeiten, um aus dem tiefsten unerforschten Grund des Unbewussten auf die Urkraft zu stoßen, die dort vergraben liegt". Die Schreitherapie helfe bei Energieüberschuss ebenso wie bei mangelnder Energie. Womöglich hat sich eine 1995 gegründete Band deshalb auch den Namen "Brüllen" gegeben, ihre Texte ließen tief in die geheimen Abgründe der Seele blicken" heißt es bei Musik-Base in einem Porträt über die Gruppe.

Das zumindest hat auch ein 33-Jähriger Amberger im August getan, der in einer Art therapeutischer Frustbewältigung wegen seiner Ex-Freundin nachts auf der Straße herumschrie. Ihn bat die Polizei um eine "Therapiepause".

© SZ vom 27.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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