Mitten in Oberhaching:Der Gletscher liegt hinter den Toiletten

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Was ist geheimnisvoller als das Gleis 9¾ am Bahnhof King's Cross und mysteriöser als Stockwerk 7½ in "Being John Malkovich"? Der Weg zum Kraftraum des Oberhachinger Skiteams. Ganz bestimmt

Kolumne von Iris Hilberth

Der Weg zum Training des Oberhachinger Skiteams ist kompliziert. Die Übungsstunde soll im Kraftraum des Gymnasiums stattfinden, doch allein die Beschreibung des TSV-Vorsitzenden Bernd Schubert macht stutzig: Zum Haupteingang rein, links Richtung Toiletten, dort gibt es zwischen den Klotüren eine weitere Tür. Dann den Gang hinter und hinunter zur Halle, durch die Feuertür, 20 Meter geradeaus, rechts um die Ecke..." Eine Nachfrage beim Pförtner ergibt: Alles Quatsch. Man kann einfach nebenan zur Halle rein und in den Keller gehen. Das klingt vergleichsweise banal, der Kraftraum ist es auch: ein paar Matten, ein paar Gewichte.

Wer weiß, wo man hingekommen wäre, hätte man doch dem Vorsitzenden geglaubt und nicht dem Hausmeister. Vielleicht ist die Oberhachinger Tür neben der Klotür so etwas wie das geheime Gleis 9¾ am Bahnhof King's Cross, an dem Harry Potter in den Hogwarts-Express steigt. Oder wie das Stockwerk 7½ in "Being John Malkovich", das man nur durch einen Notstopp des Fahrstuhls erreichen kann und das etwas unbequem werden kann, da es nur die halbe Höhe der übrigen Etagen misst. Das Tolle dort ist eine Tür hinter einem Aktenschrank, die direkt in den Kopf des Schauspielers führt.

Es könnte daher doch sein, dass Eingeweihte vom Gymnasium Oberhaching aus direkt auf dem Hintertuxer Gletscher landen. Immerhin würde ein solcher Geheimgang unendlich viele Stunden an Fahrtzeit sparen, und erst die Autobahnmaut! Das erklärt auch endlich die seltsamen Türen, die in den letzten Jahren auf Alpengipfeln aufgestellt wurden. Von wegen Kunstprojekt! "Porta Alpinae" eröffnet tatsächlich "Türen für eine andere Welt", wie der Künstler behauptet. Irgendwo braucht ein Geheimweg ja auch einen Ausgang. Vergleichsweise ist das ja auch ein sehr angenehmer Durchschlupf: Aus John Malkovichs Kopf wird man nach einer Viertelstunde direkt neben eine New Yorker Autobahn geschleudert.

© SZ vom 04.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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