Mitten in Oberhaching:Beten für Anfänger

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Ja sappralott: Sankt Bartholomäus bietet einen Abend der Barmherzigkeit an. Vorkenntnisse in Beten und Beichten sind für die Teilnahme nicht erforderlich

Von Laura Zwerger

Schon Don Camillo hat das Regelwerk der Kirche nicht ganz so genau genommen, wenn er sich mit Ungläubigen herumschlagen musste - oder mit Peppone. In Oberhaching scheint Pfarrer Rüdiger Karmann etwas von Don Camillos Freisinn geschnuppert zu haben. So lädt der Pfarrverband für 18. März zum "Abend der Barmherzigkeit" in die Kirche St. Bartholomäus, mit einem Verweis am Ende des Textes: "Vorkenntnisse zum Beichten oder Beten sind nicht notwendig." Ja sappralott, ist die Kirche denn schon so verzweifelt?

Nun gut, zum Sonntagsgebet sind die Bänke in der Kirche teils nicht mehr so gut gefüllt wie früher. All zu oft ist das Beten eher zu einem Stoßgebet verkommen - etwa wenn man den Kuchen im Ofen vergessen hat und hastig in die Küche eilt. Aber gibt es denn innerhalb der heiligen Mauern keine Ansprüche und Prinzipien mehr?

Wie muss sich wohl der Bibel-Streber neben dem Mundwinkel-Murmler fühlen, der sich einfach so ins Singsang des Gebets untermischt und das Vaterunser womöglich zum ersten Mal zusammenstöpselt. Da sollen doch alle Heuchler lieber daheim bleiben und die wahrlich Gottesfrommen unter sich belassen. Außer, ja außer die Kirche plant einen Ausbau von Arbeitsplätzen - Souffleuren würde hier eine steile Karriere bevorstehen. Da könnte in Zukunft schon einmal ein geflüstertes "Und geheiligt werde dein Name" aus der dunklen Ecke neben dem Beichtstuhl zu hören sein. Wobei, wenn man's recht betrachtet, der Beichtstuhl selbst scheint eigentlich das perfekte Versteck für einen Souffleur während eines Gottesdienstes zu sein. Weitsichtig, diese Kirche!

Den Gang zur Kirche braucht es heutzutage aber eigentlich gar nicht mehr. Brennt einem der Hut, dann lässt sich im Internet oder übers Smartphone eh viel bequemer Kontakt mit Gott aufnehmen: So bietet die App "I talk to God" den direkten, heißen Draht an. Keine Umwege über Würdenträger, kein Knien auf dem Bußschemel. Einfach das Anliegen eintippen und auf senden drücken. Et voilà, ein Bibelvers kommt prompt als Antwort von Gott zurück. In der Zeit säße noch nicht einmal der Hut auf dem Kopf des Kirchgängers.

Und wenn ein Vers als Weisheit nicht reicht, dann gibt es immer noch die Webseite gottkennen.de. Dort brauchen Gottes Schäfchen nur ein Formular auszufüllen, das den Titel "Ich brauche Gebet" - Vorkenntnisse in deutscher Grammatik sind offensichtlich auch nicht notwendig - trägt. Anliegen eintippen und einmal auf senden klicken. Und schon: gebetet. Beziehungsweise lässt man sogar für sich beten, denn das Gebetsformular geht direkt an einen der so schön modern benannten E-Coaches. Und diese E-Coaches überzeugen mit ihren Referenzen: Sie kennen Gott schon lange Zeit persönlich. Wie soll ein Pfarrer aus Oberhaching noch dagegen ankommen?

© SZ vom 09.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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