Mitten in Neubiberg:Wendiger als die Sonne

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Die Lindenburschen zünden ihr Sonnwendfeuer lieber zu früh als zu spät an. Hauptsache, es fällt nicht ins Wasser

Kolumne von Iris Hilberth

Es ist Juni und die Tage sind wieder so lang geworden, dass die kürzeste Nacht des Jahres schon bald bevorsteht. Die Burschenvereine schichten bereits die Holzstapel für ihre Sonnwendfeuer auf. Allerdings: So richtig pünktlich ist unser Stern nicht immer am nördlichen Wendekreis gewesen, im Jahr 1896 machte er bereits am 20. Juni kehrt, und vor 32 Jahren trat er den Rückweg erst am 22. Juni an. Im Jahr 2018 hingegen wird die Sonnenwende akkurat am 21. Juni um 12.07 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit (MESZ) stattfinden. Blöd nur, dass das ein Donnerstag ist.

Die Burschenvereine sind daher seit jeher flexibel, was die Verlegung der kürzesten Nacht betrifft. Den Feiernden ist das allemal egal, Hauptsache, das Feuer brennt, das Bier reicht, die Würstl schmecken und vor allem das Wetter stimmt. Weil genau das aber nicht planbar ist und ein K.-o.-Kriterium sein kann, gehen die Veranstalter mit zwei Terminen ins Rennen, verschieben die Sause notfalls ein zweites oder drittes Mal und landen terminlich schnell mal mitten im Herbst.

Die Lindenburschen in Neubiberg dachten sich daher: lieber zu früh als zu spät. Sie wollen ihr Feuer bereits am 9. Juni anzünden und notfalls die Sonnenwende auf den 16. Juni verschieben. Bei ganz gutem Willen befindet sich unser Stern dann zwar schon auf der Zielgerade, von einer Wende kann aber noch nicht die Rede sein. Den Lindenburschen ist das wohl nicht so wichtig. Beim richtigen Timing darf man nicht so kleinlich sein. Das sieht selbst die Kirche heutzutage großzügiger. Die Pfarreien in Neubiberg haben ihre Prozession zu Fronleichnam einfach mal um zehn Tage verschoben.

Vielleicht sollte man sich ein Beispiel an den anpassungsfähigen Neubibergern nehmen und die Zeitpunkte von Festen generell überdenken. Weiße Weihnachten? Gab es schon ewig nicht mehr. Um den 24. Dezember herum herrscht bestimmt auch in diesem Jahr wieder T-Shirt-Wetter. Warum also nicht einfach im Oktober feiern, beim ersten Kälteeinbruch. Dann bliebe auch genügend Zeit bis Silvester. Es sei denn, man verlegt das Jahresende gleich in den Sommer. Das wäre schon allein für alle diejenigen erstrebenswert, die es leid sind, am 1. Januar mit einem Kater aufzuwachen.

© SZ vom 07.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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