Mitten in Neubiberg:Sprachliche Ausfälle

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Sprache ist wunderschön - und manchmal auch ziemlich verwirrend. Wenn vom Zechanschlussraub die Rede ist, weiß eigentlich nur die Polizei was los ist. Trotzdem klingt es schön

Von Daniela Bode

Kotzbrocken, sperrangelweit, Mussheirat - es finden sich so viele wunderbare, detailgenaue, bildhafte Bezeichnungen im Duden. Mit bis zu 500 000 Wörtern toppt der deutsche Wortschatz den Französischen und unterschreitet den Englischen nur ein wenig. Man möchte meinen, dass man bei dieser großen Auswahl für nahezu jede Angelegenheit passende und klare Worte finden kann. Doch da wird man immer wieder eines Besseren belehrt. Und zum Rätselraten und Fantasieren animiert.

Missverständlich ist etwa, wenn die Polizei von einem "Zechanschlussraub" berichtet. Wahrscheinlich, so denkt man, hat sich jemand in einem Lokal betrunken und dann jemanden ausgeraubt. Tatsächlich ist es andersrum: Die Polizei drückt mit dem schönen Wort aus, wenn jemand nach einer Trinktour überfallen und um seine Geldbörse erleichtert wird. Noch schwerer verständlich ist, was Gemeindeverwaltungen so verlautbaren. Nicht selten liest man in Beschlussvorlagen an den Gemeinderat den Satz: "Ohne Erinnerung zur Kenntnis." Hm, was das wohl heißen könnte? Und wie das gehen soll? Indem man etwas zur Kenntnis nehmen soll, wird man ja gleichzeitig daran erinnert. Vielleicht, dass die Gemeinderäte es gleich wieder vergessen sollen? Oder dass sie nicht noch einmal daran erinnert werden? Es bleiben viele Fragen offen.

Raum für viel Fantasie lassen gelegentlich auch Beschlussvorlagen für den Neubiberger Gemeinderat. Hier heißt es beim ersten Tagesordnungspunkt immer wieder einmal: "Ohne Anfall". Nichteingeweihte assoziieren da rasch: Ach so, heute soll die Sitzung wohl einmal ohne Wut- oder Redeanfall des einen oder anderen Sitzungsteilnehmers stattfinden. Beim Weiterlesen erklärt sich hingegen alles. Denn hinter dem Tagesordnungspunkt verbirgt sich der Bericht des Bürgermeisters. Und "ohne Anfall" bedeutet schlicht, dass dieser heute einmal nichts zu berichten hat.

© SZ vom 25.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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