Mitten in Haar:Wer hat an der Uhr gedreht?

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Schon Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer wusst: Optische Täuschungen können einen ziemlich an der Nase herumführen. Auch auf dem Bahnsteig

Kolumne von Karin Kampwerth

Wen es in den anstehenden Ferien in die Toskana zieht, der kommt um den obligatorischen Pisa-Besuch eigentlich nicht herum. Allein schon wegen der Selfies, bei denen sich Touristen so knipsen, als hielten sie den Turm mit einer Hand vom Fallen ab. Sieht nicht nur lustig aus, sondern gehört bestimmt auch in die Top Ten der beliebtesten optischen Täuschungen.

Seinen Augen nicht trauen mag man aber bei noch weitaus differenzierteren Darstellungen. Mit den "Rotating Snakes" etwa hat der japanische Psychologie-Professor Akiyoshi Kitaoka fünf Spiralen mit Mustern und Kontrasten so ineinander verwoben, dass der Betrachter die Kreise rotieren sieht. So richtig hoch nimmt das Hirn einen auch bei den "Dancing Dots", einem Gittermuster, in dem immer wieder tanzende Punkte auftauchen. Oder wenn hinter einem Sammelsurium von grauen Linien plötzlich die Konturen der Mona Lisa auftauchen.

Auch bei der S-Bahn bedient man sich inzwischen der optischen Täuschung. Diese hat ohnehin eine lange Tradition im Nahverkehr. Schon Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer wussten seit ihrer Begegnung mit dem Scheinriesen Herrn Tur Tur, wie sehr einen die visuelle Illusion an der Nase herumführen kann. So verwundert, wie sich die beiden die Augen rieben, weil Herr Tur Tur auf Normalmaß zusammenschrumpfte, je näher er kam, erging es dieser Tage auch dem Pendler.

Kurz nach neun griffen die S-Bahn-Verantwortlichen ganz tief in die Trickkiste. Weil sich wie so oft die Weiterfahrt zwischen Haar und Trudering aufgrund eines Rückstaus verzögerte und man in der Schaltzentrale wohl ahnte, dass sich der Wunsch nach pünktlichem Erscheinen zum Termin in Wut verwandelte, wurde einfach an der Uhr gedreht. Die zeigte nicht mehr 9.15 sondern 7.15 Uhr an. Kurzes Aufatmen. Was man da alles noch machen könnte: Spazieren gehen, Kaffee trinken, lustige Selfies knipsen. Fast zu schnell meldete sich die Vernunft zurück - mit der Erkenntnis, dass man nicht nur der S-Bahn selbst, sondern darin auch seinen Augen nicht mehr trauen kann.

© SZ vom 10.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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