Mitten in Haar:Profundes Halbwissen

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Wenn irgendwo ein Baum gefällt, wissen manche Leute gleich: Der Laubholzbockkäfer ist schuld

Von Bernhard Lohr

Der Mensch sucht nach Erklärungen. Auf Teufel komm raus. Und wenn er sie nicht gleich findet, reimt er sich etwas zusammen. Schön ist das bei den Kornkreisen immer wieder zu beobachten. Erst vor einem Jahr war wieder einer in einem Feld im Westen von München aufgetaucht. Wer den dort angelegt hatte, war natürlich die große Frage. Mancher dachte an Außerirdische. Wem das zu vage war, der suchte womöglich im Internet nach der Wahrheit. Und weil das fundierte Wissen über Kornkreise nun einmal begrenzt ist, kam er auch dort nicht weit. Nichtwissen ist ein Garant dafür, dass wilde Spekulationen und Gerüchte ins Kraut schießen. Nicht viel besser ist es mit dem Halbwissen. Das ist gerade im Osten des Landkreises zu erleben.

Kornkreise sind dort länger nicht aufgetaucht. Dafür gibt es ein anderes Phänomen, das seit vier Jahren die Menschen beschäftigt und rätseln lässt. Als der Asiatische Laubholzbockkäfer in Feldkirchen das erste Mal entdeckt wurde, nahm ihn noch keiner richtig ernst. Doch mittlerweile hat sich gezeigt, was das kleine Krabbeltier anrichten kann: Mächtige Bäume werden im Umkreis von 100 Metern gefällt, sobald der Käfer irgendwo langgekrabbelt ist und Eier abgelegt hat. Das Wissen über den Käfer ist zwar immer noch begrenzt. Wo kommt er her? Wie kam er in den Münchner Osten? Und wieso ist er überhaupt so gefährlich? Zugetraut wird dem Käfer mittlerweile aber fast alles.

Den Haarer Jugendstilpark prägen mächtige Laubbäume, man könnte sich dort im Englischen Garten wähnen. Dem Leiter des Haarer Umweltamts, Michael von Ferrari, schlägt schon alleine die Vorstellung auf den Magen, dass sich dort der Laubholzbockkäfer einnisten könnte. Und doch war zu erleben, wie dort eine Passantin kürzlich im Brustton der Überzeugung sagte, dass ein wunderschöner Baum wegen des Laubholzbockkäfers gefällt worden sei. Wegen des Laubholzbockkäfers? Ja, sagte sie, so werde es erzählt. Nichts anderes sagte eine Radlerin zu einer Bekannten, die beide am Montag plaudernd am Südufer des Riemer Sees entlang fuhren. Dort wurde tatsächlich gefällt. Eine Reihe von Bäumen wurde durch andere ersetzt. Aber nicht wegen des Käfers, sondern weil die Bäume auf dem Kiesgrund nicht wuchsen. So steht es auf einer Infotafel am Riemer See. Die Tafel ignorierte die Radlerin. Sie hatte ja ihre Erklärung.

© SZ vom 13.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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