Mitten in Grünwald:Schöner leben, besser sterben

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Dass die Nobelgemeinde Grünwald manchmal auch herzerwärmend sein kann, hat sie nach dem Tod von Altbürgermeister Hubertus Lindner vor Augen geführt

Das Leben in Grünwald ist bekannt dafür, besonders schön zu sein. Das gilt für Firmeninhaber und Geschäftsleute, die hier einen angenehmen Gewerbesteuerhebesatz genießen, und für Familien, denn es gibt zahlreiche Kinderbetreuungsplätze, ein super Gymnasium und einen Freizeitpark. Es gilt aber auch für Nicht-Grünwalder, also Münchner oder Bewohner anderer Landkreisgemeinden, aus denen viele zum Einkaufen kommen. Sie finden in Grünwald eine überschaubare City in Form der Schlosspassage, einen freundlichen Service und das gewisse Etwas: eine Atmosphäre von Noblesse.

Dass nicht nur das Leben in Grünwald schön ist, sondern dass eine kleine, überschaubare Gemeinde auch herzerwärmend sein kann, wenn dieses zu Ende geht, hat der Tod von Altbürgermeister Hubertus Lindner vor Augen geführt. "Liebe Marianne, lieber Martin mit Familie, Thomas mit Familie, Kathy mit Familie, liebe Enkelkinder, liebe Trauergemeinde" - so begann Pfarrer Christian Stalter den Trauergottesdienst. Man ist per Du, man kennt sich seit Jahren, begegnet sich beim Einkaufen und in der Kirche.

Weil der evangelische Pfarrer und die Familie Lindner sich so gut kennen, zelebrierte Stalter auch ein Ritual, das immer mehr in Vergessenheit gerät: die Aussegnungsfeier, die im Katholischen der letzten Ölung entspricht.

Nur etwa fünf Mal im Jahr werde er noch gerufen, bedauert Stalter. Dabei tue es Angehörigen gut, wenn der Pfarrer vor dem Bestatter komme, weiß der Seelsorger. Wenn der Verstorbene gesegnet wird und mit den Angehörigen gebetet, wenn eine biblische Lesung gehört und noch einiges aus dem Leben des Verstorbenen rekapituliert wird. Grünwald ist, bestätigt Stalter, in dieser Hinsicht ein Mittelding zwischen Großstadt und Land. Schon im nahen Harlaching werde das Ritual nicht mehr von Angehörigen erbeten.

Auch in Grünwald nutzen es meist nur Menschen, die engen Kontakt zu Kirche und Pfarrer haben. Doch jeder, der evangelisch ist, könne ihn bei einem Todesfall zu Hause rufen, versichert Pfarrer Stalter. Wer im schönen Grünwald lebt, sollte sich im Falle eines Falles daran erinnern, dass selbst das Sterben hier schöner ist.

© SZ vom 21.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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