Mitten in Grünwald:Das große Häckseln

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Strafzettel, Steuererklärungen und unerwünschte Briefe: Manches sähe man gerne zu Konfetti verarbeitet. Grünwald bietet einen besonderen Service an, pocht aber auf strenge Regeln

Von Claudia Wessel

Man stelle sich vor, die Gemeinde, in der man lebt, lädt ein zu einer kostenlosen Zerkleinerungsaktion. Alles, was man schon lange in Stücke reißen wollte, beispielsweise Liebesbriefe vom Falschen oder enttäuschende Steuerbescheide, braucht man nicht mehr selbst in Schnipsel zu verwandeln. Stattdessen kann man einen Stapel derartiger Zumutungen einfach vor die Tür stellen. Von der Gemeinde engagierte Fachleute packen das heikle Gut und schreddern es fachgerecht. Das Konfetti nehmen sie aber nicht mit, schließlich könnte jemand es wieder zusammensetzen, so wie einst mit den von der Stasi in Vertuschungsabsicht geschredderten Akten geschehen, sondern sie befördern es mit einem über den Zaun reichenden Blasrohr zurück aufs Grundstück.

So in etwa geht es in der kommenden Woche in Grünwald zu. Zerkleinert werden allerdings keine brisanten Dokumente, sondern ausschließlich Äste und Zweige, und zwar nur solche, die einen Stammdurchmesser bis zu 20 Zentimeter haben. Die Häckselwoche vom Montag 24. bis Freitag 28. April lässt sich die Gemeinde 8000 bis 10 000 Euro kosten, wie Karl Leitner, Chef des beauftragten Häckseldienstes verrät. Grünwald ist die einzige Kommune weit und breit, die eine solche Woche für ihre Bürger organisiert. Diese brauchen nichts zu zahlen, sofern der Häckseldienst an ihrem Grundstück in 50 Minuten fertig wird.

"Man braucht einen großen Nerv", sagt Karl Leitner über seine Arbeit. Denn nicht alle der rund 100 angemeldeten Bürger beachten die Häcksel-Regeln. Etwa die, alle Zweige mit den abgeschnittenen Seiten in dieselbe Richtung zu legen. Parkende Autos zu entfernen. Platz zu lassen, damit der Häcksler an den Zaun fahren und sein Rohr darüber schieben kann zwecks Rüberschütten des Häckselguts. "Ruhig bleiben" ist Leitners Devise. Manchmal fällt es ihm schwer. Einmal lag eine Eisenstange zwischen den Zweigen. Wäre sie in den Häcksler geraten, wäre das dessen letztes Stündlein gewesen. Ein Häcksler kann nicht alles zerkleinern. Und vermodertes Laub würde das Rohr verstopfen. Alles andere als Äste und Zweige bleibt auf dem Gehweg liegen, da ist Leitner knallhart. Selbst bei Liebesbriefen kennt er keine Gnade.

© SZ vom 20.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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