Mitten in Grasbrunn:Weiß der Geier

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Warum ruft der Vogelschutzbund dazu auf, Aasgeier im Garten zu zählen? Im Grasbrunner Ortsteil Neukeferloh könnte man vielleicht eine Ahnung haben

Kolumne von Iris Hilberth

Ab und an darf der Gartenbesitzer zum Hobby-Ornithologen werden. Dann soll er Vögel zählen. In der "Stunde der Wintervögel" etwa werden so neue Erkenntnisse über die Vogelwelt gewonnen. Hier ein paar Spatzen, dort einige Amsel und jede Menge Meisen. Wobei sich beim ungeschulten Blick auf das Getümmel am Futterhäuschen die Frage stellt: Sind das Kohlmeisen, Schwanzmeisen, Haubenmeisen oder gar Beutelmeisen? Jetzt ist der Landesbund für Vogelschutz (LBV) mit einem sehr speziellen Auftrag auch an die Landkreisbürger herangetreten: Er bittet um die Teilnahme an der jährlichen Geier-Inventur.

Ein Schelm, wer da an Geldgeier in der Boom-Region München denkt oder wem Pleitegeier im Luftraum über das durch den Wirecard-Skandal und die Escada-Insolvenz gebeutelte Aschheim in den Sinn kommen. Nein! Es geht um Bartgeier. Jene Aasfresser, die sich fast ausschließlich von Knochen ernähren und gerne auch "Knochenbrecher" genannt werden, was nicht allzu sympathisch, in gewisser Weise aber beeindruckend klingt. Der Bartgeier soll die stärkste Magensäure im Tierreich haben, mit einem pH-Wert von 0,7 ist sie vergleichbar mit Batteriesäure und löst Knochen nahezu vollständig auf.

Sollte jemals jemand im Landkreis einen Geier gesichtet haben, dann Hobby-fotograf Markus Dähne, der im Landschaftspark Hachinger Tal jeden Vogel mit Vornamen kennt. Er hat in den vergangenen Tagen zwei Rotmilane und einen Eisvogel beobachtet, einen Bluthänfling, sechs Wiesenpieper und ein Sommergoldhähnchen. Aber keinen Bartgeier. Zum Glück, werden mache sagen, die den Vogel auch als Lämmergeier bezeichnen. Man kann sich vorstellen warum, obwohl ihm mit diesem Vorwurf genauso unrecht getan wird wie mit dem Gerücht, er raube kleine Kinder. Aber vielleicht ist das trotzdem der Grund, warum es im Ottobrunner Vogelviertel neben Finken- und Zeisigstraße keinen Geierweg gibt. Nur Grasbrunn ehrt den großen, bedrohten Greifvogel mit einem Straßennamen. Die Geierstraße verläuft in Neukeferloh übrigens parallel zur Flamingostraße. Nur so als Hinweis für den LBV.

© SZ vom 07.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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