Mitten in Grasbrunn:Wahrer Held des Alltags

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In den Landgemeinden mögen die Busverbindungen mau sein, die Busfahrer aber sind auf Zack

kolumne Von Valérie Nowak

Im Herzen Münchens regiert auf der Stammstrecke der S-Bahn das pure Chaos: Da fällt die eine Bahn aus, die andere kann nicht weiterfahren, weil die Pendler sich bis in die Lichtschranken der Türen quetschen, oder es streiken die Anzeigentafeln. Auf eines ist stets Verlass: Irgendwas ist immer.

Fährt der Städter raus aufs Land, ist Schluss mit der Hektik: In Vaterstetten etwa spült die S-Bahn alle zehn Minuten Pendler an, vorausgesetzt, alles läuft hier schön nach Fahrplan. Davon abgesehen herrscht beschauliche Ruhe, die Dorfidylle von Möschenfeld, einem kleinen, verschlafenen Paradies, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, nicht allzu fern. Doch die Reise von Vaterstetten nach Möschenfeld anzutreten, das ist eine ganz andere Herausforderung: Die S-Bahn tauscht der Städter gegen den Dorfbus ein. Entschleunigung ist das Stichwort, nicht nur, was die Abfahrtszeiten angeht: Einmal die Stunde dreht der 240er seine Runde, eine Viertelstunde später ist das Ziel erreicht. Hat man ihn knapp verpasst, heißt es abwarten im Häuschen an der Haltestelle. Der nächste Bus kommt zwar 20 Minuten später, aber der fährt eben nur nach Grasbrunn, und dann steht der Städter wieder da - festgesetzt an einer Haltestelle, an der so schnell kein Bus ins gelobte Dorf fahren wird.

Doch es gibt sie noch, die mutigen Alltagshelfer, die ihre ganze Kraft zusammennehmen und zu Hilfe eilen. Und sei der Weg auch noch so weit, von Grasbrunn nach Möschenfeld sind das immerhin drei Kilometer durch dunkle Wälder. Der wahre Held, ein Busfahrer, spürt die Verzweiflung des Stadtmenschen. Der gute Mann opfert ohne zu zögern seine Pause, um über die Landstraße zu heizen. Und zaubert aus seinem Linienbus die größte Limousine der Stadt, für einen einzigen Fahrgast, der schon so oft an der S-Bahn zerbrochen ist.

© SZ vom 29.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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