Mitten in Garching:Von wegen nackte Haut

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Hat man erst einmal ja gesagt zum Tattoo, bleibt es ein Leben lang. Macht aber nichts, die Bemalten sind eh die letzten Aufbegehrer gegen das gefällige Leben

Von Ulrike Schuster

Kein Badesee hat Haut pur zu bieten. Egal auf welcher Wiese Mensch liegt, ob am Feringasee, am Heimstettener See oder am Deininger Weiher, nebenan schwitzen Häute mit Leuchttürmen, Rosen, Partnernamen, Kindergeburtstagen. Die Motivliste ist so endlos wie das Infinity-Symbol, die auf 90 Grad gedrehte Acht, lange Zeit der Renner. Zwölf Millionen Menschen in Deutschland sind tätowiert. Die ewige Hautfarbe begeistert die Massen, wer einmal anfängt, hört nicht mehr auf.

Dem Tattoo-Fan gegenüber stehen die Allzeit-Mahner, die gern an "hat doch längst jeder", "langweilt", "bleibt bis zum Tod" erinnern. Will Frau Mann, Kind, Haus und Hund, sagt niemand: "Wow, einfallslos, haben deine Freundinnen doch alle schon." Spricht der Pfarrer von Frau und Mann als einem Fleisch, ruft niemand: "Bitte geht nicht ineinander auf!" Hat man erst einmal "Ja" gesagt, zum Tattoo, zur Ehe, ist man fürs Leben gezeichnet, kommt aus der Nummer nicht mehr raus. Wenigstens dann nicht, wenn's auf die Dauer gefällt oder man die romantische Idee nicht fallen lassen will. Beide, Tattoo- und Eheliebhaber, sind aus dem gleichen Holz, Typ "Macher", die sich noch an Langzeit-Projekte trauen, solche, die Blut, Schweiß und Tränen fordern. Endlich wieder Schmerz und Schonungslosigkeit in einem sonst so befreiten Leben - frei von albernem, flatterhaftem, unzweckmäßigem Sein. Denn alles Sündhafte, das, was Spaß macht, hat der Optimierungswahn längst verboten. Der "neue heiße Scheiß" in der Tattoo-Szene sind Underboob-Tattoos, Malerei direkt auf den Rippenbögen unter der Brust. Eine Dame, am Garchinger See damit gesichtet, gab den Rat, nicht gleich mit so etwas anzufangen, das sei etwas für erfahrene Tätowierte. Geduld sind die Eheleute ebenfalls gewohnt, die heiraten auch nicht auf Anhieb. Man muss schon wissen, worauf man sich einlässt.

© SZ vom 14.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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