Mitten in Baierbrunn:Frau Zwiefelhofer will ratschen

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Braucht Baierbrunn einen Wlan-Hotspot? Eine Gemeinderätin findet nein. Die Leute würden ohnehin viel zu viel in ihre Handys gucken

Von Michael Morosow

Der Terminus "Handynacken" wird wohl bald in den Duden aufgenommen werden, wahrscheinlich mit dem Zusatz "Zivilisationskrankheit." Handynacken bekommen Menschen, in der Mehrzahl junge, die frühmorgens gleich nach dem Aufstehen das erste Mal ihren Kopf senken, weil sie der Welt per Facebook oder Whatsapp mitteilen müssen, dass sie soeben aufgestanden sind, anschließend die Wetter-Live-Cam auf ihrem Smartphone aufrufen (statt einfach aus dem Fenster zu schauen) und bis zum Zubettgehen im Minutentakt stiernackig auf ihr Smartphone linsen, um immer auf dem Laufenden zu sein, wenn ähnlich wichtige Mitteilungen auf irgend einer Social-Media-Plattform aufpoppen. Ihretwegen müssen sich Orthopäden also keine Sorgen mehr machen über ihr Auskommen.

Dann gibt es aber auch Menschen wie die Gemeinderätin Christine Zwiefelhofer von der Überparteilichen Wählergruppe Baierbrunn, die wenigstens beim Spazierengehen keinen Fuß auf die modernen Nachrichtenpfade setzen wollen, sondern viel lieber aufrecht durch ihren Ort wandeln und für Unterhaltungen die antiquierte mündliche Form pflegen. In der jüngsten Sitzung des Gemeinderates hat sie deshalb ihren Mund aufgemacht, um im schönsten Bairisch allen Handynacken dieser Welt den Marsch zu blasen. Dazu angestachelt hat sie der Antrag der Baierbrunner Interessengemeinschaft, die Gemeinde möge kostenlose Wlan-Hotspots an zentralen Stellen des Ortes einrichten.

Alle Leute würden eh schon nur noch gebückt rumrennen, lederte Zwiefelhofer los. "Wo Leut' beieinander stehen, sollen s' ratschen und net in den Kasten schauen", sagte sie, und wenn sie unbedingt mit ihrem Handy ins Netz wollen, dann sollten sie das gefälligst zuhause tun. Punkt. Zuvor hatte Robert Gerb von den Grünen ein anderes Argument gegen die Wlan-Hotspots ins Feld geführt: "Man muss die Leute nicht mit zusätzlicher Bestrahlung beglücken", sagte er. Zwiefelhofers Fraktionskollegin Gisela Gojczyk sorgte sich dann noch um die ohnehin überlastete Rathausmannschaft, die ihrer Meinung nach den Verwaltungsaufwand nicht mehr schafft. Die Entscheidung wurde zurückgestellt.

© SZ vom 10.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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