Mitten in Aying:Von Kühen lernen

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Seit Bauer Martin Stadler seine Nutztiere von einem Automaten melken lässt, macht ihnen die Zeitumstellung nichts mehr aus. Wo bleibt die Roboterlösung fürs Büro?

Von Claudia Wessel

Früher hatten die Kühe ein Problem mit der Zeitumstellung, erzählt der Ayinger Landwirt Martin Stadler. Wenn er seinerzeit am Anfang der Sommerzeit eine Stunde früher in den Stall kam, schauten sie ihn schlaftrunken an mit diesem Blick: Was will der denn schon? "Dann musste ich sie erst mal alle aufwecken", erinnert er sich. Und wie? "Mit einem sachten Klopfen auf den Hintern und gutem Zureden." Zu Anfang der Winterzeit dagegen muhten sie ihn fast aus dem Bett, weil sie bei Verzögerung des Melkens um eine Stunde schon einen gewissen Druck auf den Eutern verspürten und sich wohl fragten, ob ihrem Besitzer etwas zugestoßen sei.

All diese Probleme gibt es heute nicht mehr. Denn seit 2013 sind Stadlers Kühe autonom. Sie melken sich selbst, wenn ihnen danach ist. Denn jede von ihnen trägt jetzt einen praktischen Responder am Hals, quasi der Schlüssel zu ihrer Freiheit. Damit betreten sie je nach Lust und Laune die Melkbox, wobei ein bisschen Kontrolle gibt es da schon. Denn der Melkroboter macht erst mal eine Art Kassensturz: Um welche Kuh handelt es sich? Wie viel Milch gibt sie normalerweise? Wann hat sie zuletzt wie viel Milch gegeben? Wenn sich jetzt also die Lisa schon nach zwei Stunden wieder in die Melkbox mogelt, weil sie scharf auf das dabei gereichte leckere Kraftfutter ist, dann hat sie keine Chance. Der Roboter erkennt den Täuschungsversuch und schiebt sie sanft - vermutlich am Hintern - wieder zur Tür heraus. Erst nach acht Stunden darf sie damit rechnen, dass der lasergesteuerte Melkarm sich an ihre Euter legt. Weil also jetzt jede Kuh individuell auf die Zeitumstellung reagieren kann, hat Landwirt Stadler damit keinen Ärger mehr.

Während Kühe somit bereits selbstbestimmt über ihr Leben verfügen können, müssen sich die Menschen dieser Tage nach der Zeitumstellung immer noch mit den Folgen rumquälen. Genau wie nach einem Langstreckenflug verspüren sie um drei Uhr nachmittags kurz vor dem wichtigen Meeting plötzlich bleischwere Müdigkeit, sind morgens beim Weckerklingeln nicht wach zu kriegen und schaffen abends ihre Bügelwäsche nicht. Dringend notwendig ist daher eine Arbeitsbox, in die man ganz nach eigenem Bedürfnis eintreten kann und in der Lockmittel wie Kraftfutter und Getränke nicht fehlen. So lange es diese Box noch nicht gibt, bleiben wohl nur die altbewährten Mittel von Landwirt Stadler.

© SZ vom 02.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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