Mitten im Landkreis:Apfelmus ohne Ende

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Über die Freuden und Leiden einer reichen Ernte

Kolumne von Amelie Hörger

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm - das ist schön und gut, bedeutet aber, dass besagter Apfel direkt in den darunterliegenden Garten fällt. Und das ist ein Problem, denn er ist nicht alleine. Regelmäßig regnet es gleich eine ganze Ladung Obst von oben herab. Jeden Tag können so mehrere Waschkörbe gefüllt werden. Leuchtend rot glänzend, leicht verschrumpelt oder auch giftgrün, das Angebot ist vielfältig. Was in den ersten Wochen noch Freude bereitet, wird mittlerweile zu einer regelrechten Plage biblischen Ausmaßes.

Brav wird deswegen jeden Abend mit gekrümmtem Rücken das Fallobst aufgesammelt und anschließend krampfhaft nach einem Verwendungszweck für weitere zehn Kilo Äpfel gesucht. Also beginnt man zu schälen, obwohl schon Dutzende Gläser mit Apfelmus im Keller stehen, und wie jedes Jahr wird schnell die Oma angerufen, um nach dem legendären Apfelstrudelrezept zu fragen. Das könnte man sich eigentlich einmal aufschreiben.

Der Freund am Telefon lehnt dankend ab, er habe selbst mehr als genug Äpfel mitsamt dazugehörigem Mus aus dem Garten seiner eigenen Großeltern. Es ist zum Verzweifeln.

Als letzten Rettungsanker, um in dem Meer aus Obst nicht unterzugehen, wird eine randvoll gefüllte Kiste mit einem großen Schild "Äpfel zu verschenken" vor die Türe gestellt. Das bange Warten beginnt. Da kommt eine Frau den Weg entlang. Zögernd bleibt sie vor dem Angebot stehen, überlegt, schaut irritiert und verschwindet dann wieder. Ohne einen einzigen Apfel. Bedeutet das etwa noch mehr Apfelmus für den ohnehin schon überfüllten Keller? Nein. Kurze Zeit später erscheint sie erneut. Am Lenker ihres Fahrrads baumeln an jeder Seite Einkaufstaschen, die sie belädt, Apfel für Apfel. Es gibt sie also doch: Menschen, die noch nicht die Nase voll von Äpfeln haben. Doch oben von dem hohen Baumwipfel blicken höhnisch weitere pralle, rote Äpfel herab. Darauf wartend, mit lautem fiesen Poltern auf die Erde zu fallen.

© SZ vom 30.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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