Mitten im Hachinger Tal:Ich will lieber Schokolade

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Tag für Tag lockt in der Vorweihnachtszeit die süße Versuchung. Wäre da nur der Adventskalender, ginge es ja noch. Köche verführen uns und Sänger geben im Gartenmarkt eigenartige Konzerte

Von Iris Hilberth

Die Formel zum Glücklichsein ist bekannt: 46 Prozent Zucker, 22 Prozent Milchpulver, 18 Prozent Kakaobutter, zwölf Prozent Kakaomasse. Bleiben noch zwei Prozent für "Sonstiges" - was auch immer das sein mag. Fest steht: In der Adventszeit werden wir im Übermaß glücklich gemacht. Das erste Türchen geöffnet. Schokolade dahinter. Zweiter Dezember: noch mal Schokolade. Dritter Tag: schon wieder Schokolade. Und jedes Mal zum Frühstück. Wir wollen nichts von Mineralölresten in Adventskalendern oder Spuren von Schwermetallen hören. Sondern nur das Knacken der Schokolade, wenn sie bricht.

Das soll schließlich ein Qualitätsmerkmal sein. Wir verdrängen auch die Erkenntnis, dass Schokolade die Kleidung schrumpfen lässt, zumal es ja in den seltensten Fällen bei den kleinen Täfelchen hinter den Papptürchen bleibt. Die Schokonikoläuse sind längst schon im Anmarsch, und da ist es ganz egal, ob man den durchschnittlich großen Milka-Mann (530 Kalorien) oder den Lindt-Kollegen (566 Kalorien) verspeist.

In welche Kalorienfalle Sie tappen, wenn Sie sich an diesem Donnerstag zum "Schokoladen-Zauber" in den Ritter-Hilprand-Hof nach Taufkirchen begeben, teilen die Veranstalter nicht mit. Aber sie versprechen gleich dreifachen Genuss. Es soll diese "süße Verführung" nämlich nicht nur für den Gaumen und die Augen geben, auch die Musik soll sich "samtig wie Schokolade" in den Gehörgängen breit machen. Kulinarisch wagt man sich etwa an Vogerlsalat mit Zartbitter-Schokoladen-Vinaigrette oder Rinderschmorbraten im Schokoladen-Portweinjus. Am Ende gibt es noch Schokoravioli mit Rhabarberkompott und Nussbutter. Wer nach all dem Süßkram nicht dringend auf eine Leberwurstdiät umstellen will, der kann sich am Samstag gleich noch das Schokoladenkonzert bei Pflanzen Kölle im benachbarten Unterhaching geben.

Diese als "besondere Musik an besonderen Orten für echte Genießer" promotete Veranstaltung zwischen Blumenkübeln, Rindenmulch und Koibecken wird als "schokoladig-rockig" angekündigt. Nicht enttäuscht sein, wenn Sie jetzt mit Hot Chocolate gerechnet haben. Es tritt auch nicht die Reinkarnation von Trude Herr ("Ich will keine Schokolade, ich will lieber einen Mann!") auf. Und alle Helene-Fischer-Fans ("für Schokolade sterbe ich. Was wäre ein Tag denn - ohne dich") sei gesagt: Zu früh gefreut. Womöglich ist das bitter für Sie, wenn stattdessen Christina Rommel Verse singt wie diesen: "Wie ein Hauch aus Schokolade schmelz ich zart dahin."

Sagen Sie jetzt nicht, Sie essen nie Schokolade! Der amerikanische Karikaturist John Tullius hat schon ganz richtig festgestellt: "Neun von zehn Leuten mögen Schokolade. Der Zehnte lügt." Berufen Sie sich bei all diesen süßen Verführern im Dezember doch auf Roald Amundson, den ersten Menschen am Südpol. Der hat schließlich gesagt: "Wir haben die Strapazen nur überlebt, weil wir genug Schokolade dabei hatten."

© SZ vom 03.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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