Migranten in München (8): Amir Roughani:Typisch deutsch!

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Mit elf Jahren kam Amir Roughani aus Iran nach Deutschland - alleine und mit 100 Mark in der Tasche. Heute besitzt er eine Firma, die Millionenumsätze macht. Was hält so jemand von Sarrazins Thesen? Gar nicht mal so wenig.

Tobias Dorfer

Vielleicht wäre alles ganz anders gelaufen, wenn dieser eine Satz nicht gewesen wäre. "Mach was draus", bekam der elfjährige Amir Roughani im Jahr 1987 zu hören. Seine Eltern hatten den Jungen alleine in ein Flugzeug nach Deutschland gesetzt, weil in ihrem Heimatland Iran der erste Golfkrieg tobte. Ohne Deutschkenntnisse und mit lediglich umgerechnet 100 Euro in der Tasche kam er am Berliner Flughafen an. Einziger Ansprechpartner war sein Bruder, der bereits dort lebte. Heute besitzt Roughani eine Firma, die Millionenumsätze macht.

Offenbar eine runde Sache: Amir Roughani in seinem Firmensitz im Münchner Norden, direkt am Mittleren Ring. (Foto: oh)

Vispiron ist ein Technologieunternehmen, das unter anderem Entwicklungsarbeit für Autokonzerne übernimmt, Steuergeräte entwickelt und ein elektronisches Fahrtenbuch vertreibt. Zu den Kunden zählen Hersteller wie BMW, Audi, Porsche und Toyota - aber auch EADS, Schaeffler und die Allianz. 35 Millionen Euro Umsatz hat Vispiron im vergangenen Jahr erzielt, 142 Menschen arbeiten für das Unternehmen - und die Geschäfte laufen so gut, dass die Firma auch in den Jahren der Wirtschaftskrise Personal nicht ab-, sondern aufbaute.

Roughani ist Gründer und Vorstandsvorsitzender von Vispiron. Inzwischen ist er 35 Jahre alt - ein groß gewachsener Mann mit dunklen, kurzen Haaren, einem wachen Blick und einem gewinnenden Lächeln, der in einem Besprechungsraum in der Firmenzentrale direkt am Mittleren Ring sitzt. Vor einigen Monaten hat ihm die Stadt den Phönix-Preis verliehen - eine Auszeichnung für Unternehmer mit Migrationshintergrund. Und für die Kampagne "Vielfalt als Chance" der Bundesregierung trat Roughani in einem Video auf. Das Credo: Wenn ich es schaffe, schafft ihr es auch. Aber ist das tatsächlich so?

Es ist erst wenige Monate her, da veröffentlichte Thilo Sarrazin sein Buch "Deutschland schafft sich ab". Muslime in Deutschland seien schlechter integriert sowie überdurchschnittlich häufig gewaltbereit und Empfänger von Transferleistungen, heißt es da. Auch Amir Roughani liegt dem Staat zunächst auf der Tasche. Er wohnt im Kinderheim, kann kein Wort Deutsch - und die Schule macht es ihm auch nicht einfach, daran etwas zu ändern: "Ich kam in eine Ausländerklasse", sagt Roughani, "aber das ging nicht gut bei mir, denn da habe ich nur Türkisch gelernt".

Doch er beißt sich durch. Wechselt in eine Klasse mit weniger Ausländern, lernt Deutsch, freundet sich mit einem Deutschen an, geht Rollerbladen, Fußballspielen und findet schließlich Gefallen an einer urdeutschen Sportart: Kegeln. Wenig später spielt Roughani beim damaligen Rekordmeister Rot-Weiß-Berlin in der Bundesliga.

Er besteht seinen Hauptschulabschluss, beginnt eine Ausbildung bei einem Pharmakonzern und macht nebenher erst die Mittlere Reife, dann die Fachhochschulreife. Er hängt sich rein und bekommt, obwohl er inzwischen nur noch halbtags arbeitet, einen höheren Bonus als viele Vollzeit-Kollegen. Sein Wirtschaftsingenieurs-Studium finanziert er sich mit Nebenjobs. Anschließend heuert Roughani bei einem IT-Dienstleister an, wechselt zur Kirch-Gruppe, und als der Medienkonzern im Jahr 2002 während der Internetkrise Insolvenz anmeldet, nimmt er die Abfindung, bittet den Verwalter um einige Möbel, organisiert sich einen Kredit und macht sein eigenes Ding: Vispiron.

Einfach war der Weg nicht. Als er in Berlin ankam, litt der Junge unter Heimweh - und lernte, dass der Kiez kein leichtes Pflaster ist. Roughani zeigt auf seine Narben. Ausländer haben sie ihm damals zugefügt, sagt er, in Wedding. Auch im Beruf hat er anfangs Probleme. Die Kollegen sind skeptisch, er spürt die Distanz. Kühl seien die ersten Wochen gewesen, sagt er. Wie hat Amir Roughani die Erfolgsspur gefunden, die viele vergeblich suchen?

Er habe immer den Anschluss an die deutsche Gesellschaft gesucht, sagt der Unternehmer. Wer mit ihm spricht, hört immer wieder die gleichen Begriffe: Fleiß, Motivation, Ziele setzen. Roughani verbirgt seinen Ehrgeiz nicht. "Ich muss gewinnen, das ist bei allen Dingen so", sagt er. "Ich sehe sonst keinen Sinn darin." Ist Roughanis Aufstieg Glück? Zufall? Mentalität? "Ein Puzzle aus allem", sagt er. Natürlich Glück. Und natürlich hatte er auch die richtigen Menschen um sich herum, die ihm damals beim Kegeln die Reisen finanziert haben oder einen neuen Sportdress. Was sagt so einer zu den Thesen von Thilo Sarrazin?

Amir Roughani holt tief Luft. Natürlich, mit seinen Vererbungstheorien sei Sarrazin zu weit gegangen. "Aber es gibt vieles, worauf er zu recht hinweist", sagt er. Das Problem sei doch, dass in Deutschland bis heute keine ernsthafte Integrationspolitik betrieben werde. Es müsse besser gefiltert werden. Und dann: Fördern und Fordern. "Man muss den Migranten klare Regeln aufzeigen", fordert der Unternehmer. Warum nicht die Aufenthaltsregelung an die Sprachkenntnisse knüpfen? "Wenn die Leute konkret wissen, was von ihnen erwartet wird, dann richten die sich auch danach, wenn sie bleiben wollen."

Amir Roughani ist seit 1996 deutscher Staatsbürger, er hatte deutsche Freundinnen, ist Mitglied der FDP und bezeichnet sich selbst als "iranischstämmigen Deutschen". In sein Geburtsland fährt der Unternehmer nur noch, um Urlaub zu machen oder um die Familie zu besuchen. "Ich werde nicht mehr dauerhaft zurückkehren", sagt er. Schließlich hat er mit seiner Firma noch eine Menge vor: Auf 1000 Mitarbeiter soll sie wachsen, sagt er und lacht. "Und ich möchte Vispiron an die Börse bringen."

© SZ vom 11.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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