Meine Woche:Widerspruch ist zwecklos

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Anita Schulz ist Rentnerin und hat drei Tage in der Woche fest eingeplant, in denen sie Demenzkranke und Senioren betreut. (Foto: privat)

Anita Schulz über den Umgang mit Demenzkranken

Von Gudrun Passarge

Garching - "Widersprich nie einem Demenzkranken", so lautet das erste Gebot in der Ausbildung, weiß Anita Schulz (Foto: privat). Die 66-jährige Garchingerin hat dies dann doch einmal vergessen und gleich erfahren, was passiert. Als sie als Leiterin der Aktivierungsgruppe zum Termin im Königsgarten kam, wurde sie von einer Demenzkranken zurechtgewiesen, dass sie zu spät sei. "Na, na", widersprach sie und zeigte zum Beweis auf die Uhr, aber da war es schon zu spät: Die Frau schimpfte wie ein Rohrspatz. Schulz lenkte ein und entschuldigte sich für das vermeintliche Zuspätkommen. Die Frau verzieh ihr großmütig und meinte, das könne ja jedem mal passieren.

Anita Schulz kann viele solcher Geschichten erzählen. Die Rentnerin hat drei Tage in der Woche fest eingeplant, in denen sie Demenzkranke und Senioren betreut. Seit sie vor zehn Jahren eine Ausbildung bei der Nachbarschaftshilfe Garching gemacht hat, ist sie in diesem Bereich aktiv. Und das mit viel Freude und Elan. "Das ist wirklich eine Bereicherung. Du investiert natürlich Zeit und gibst auch ein Stück von dir selbst, aber du kriegst auch viel zurück", sagt Schulz.

Sie kocht nicht nur mit Senioren im Betreuten Wohnen und liest ihnen Geschichten vor, sondern sie betreut auch einzelne Demenzkranke und leitet die Aktivierungsgruppe der Nachbarschaftshilfe. Dort kommen jeden Dienstagvormittag sieben bis acht demenziell Erkrankte zusammen, singen, spielen oder basteln. Zu Beginn singen alle gemeinsam ein Lied, ein festes Ritual. Schulz berichtet von Fällen, in denen Menschen nicht mehr sprechen konnten, "aber sie konnten noch singen". Dann schauen sich alle die Gegenstände an, die auf dem Tisch liegen. Zum Schulanfang etwa lagen dort eine Schultüte, ein altes Lesebuch, ein Rechenschieber. Der Demenzhelferin geht es darum, alle Sinne anzuregen.

Demenz, sagt Schulz, sei in der Gesellschaft angekommen. Das findet seinen Widerhall auch im Landratsamt, wo diese Woche eine interne Fachtagung zum Thema "demenzfreundliche Kommune" stattfindet. Schulz hat die Erfahrung gemacht, dass Angehörige aber immer noch Probleme hätten, von der Demenz ihrer Familienmitglieder zu berichten. Sie habe die unterschiedlichsten Menschen kennengelernt, Professoren oder Arbeiter, in der Demenz gebe es da keine großen Unterschiede mehr - außer dass es eher sanfte oder aggressive Gemüter gebe. Im Umgang brauche es viel Geduld plus einer gehörigen Portion Humor. Schulz hat dabei viel gelernt. "Manche schwierige Menschen behandle ich einfach wie die Demenzkranken", lacht sie.

© SZ vom 26.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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