Meine Woche:Friedensfahrt zum Überlebenden

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Stefania Zuber fährt mit jungen Leute an den Ort eines Massakers. (Foto: Claus Schunk)

Stefania Zuber fährt mit jungen Leute an den Ort eines Massakers

Von Laura Zwerger, Ottobrunn

"Es geht um die Anerkennung des Leids und um Mitgefühl - nicht um Schuld." Stefania Zuber fährt diese Woche zum dritten Mal mit 17 Jugendlichen aus Ottobrunn und dem Münchner Raum nach Cortona in Italien. Dort haben deutsche Soldaten im Zweiten Weltkrieg 14 Menschen massakriert. Die Gemeinde Ottobrunn interessiert sich besonders für diesen Vorfall, da ein Gemeindemitglied damals als Offizier den Befehl zu den Morden gab. Auch seine Nachkommen leben in Ottobrunn, daher waren die Friedensfahrten unter der Trägerschaft der katholischen Kirche zu Beginn heiß diskutiert: "Viele haben befürchtet, dass wir einen Finger in die Wunde der Familie legen, aber es ist für uns ganz klar, dass die Nachkommen nichts dafür können", sagt Zuber bestimmt. "Es geht uns einfach darum, die Basis für eine Freundschaft mit den Leuten aus Cortona zu legen."

Dafür organisiert die 49-Jährige in Zusammenarbeit mit dem ortsansässigen Pfarrer Christoph Nobs seit 2013 jährlich eine Friedensfahrt nach Italien. Mit 17 Jugendlichen, die meisten im Alter von 16 bis 22 Jahren und unterschiedlicher Konfession, sowie drei weiteren erwachsenen Betreuern bleibt sie für fünf Tage in der Stadt Cortona. "Wir wurden immer mit offenen Armen dort empfangen", erzählt Zuber. Auch mit dem einzigen Überlebende des Massakers führen sie jedes Mal ein Zeitzeugengespräch. "Es ist toll, denn dieser Mann hegt überhaupt keinen Hass mehr gegen die Deutschen", sagt Zuber. "Er hat seinen Frieden geschlossen und freut sich immer unglaublich, wenn wir kommen."

Bei den Gesprächen lauschten die Jugendlichen immer sehr aufmerksam und seien mitgenommen von seiner Geschichte. Und genau dadurch wird in Zubers Augen der Sinn dieser Fahrt erfüllt: "Es entsteht ein Mitgefühl und sie haken das Geschehene nicht einfach als etwas ab, das vor ihrer Zeit geschah", sagt Zuber. "Das ist wichtig, denn man kann keine Zukunft bauen, wenn man die Vergangenheit nicht kennt."

Mit der Vergangenheit der Deutschen kennt sich Stefania Zuber gut aus. Sie ist Gästeführerin in München, unter anderem auch in der Gedenkstätte in Dachau. "Deshalb hat mich die katholische Gemeinde für die Friedensfahrt angefragt, da sie wusste, dass ich mich gut mit dem Thema auskenne", so Zuber. Auch sei sie gebürtige Italienerin, sie sieht sich daher als neutral sowohl den Deutschen, als auch den Italienern gegenüber.

Eine differenzierte Betrachtung der Vorfälle während des Zweiten Weltkrieges sind ihr bei der Fahrt nach Cortona besonders wichtig, die Deutschen sollen nicht nur als die Bösen gesehen werden. "Es ist keine kollektive Schuld, sondern die Schuld Einzelner", sagt Zuber. Man müsse besonders bei solch einer Thematik Respekt für beide Seiten aufbringen. Dadurch und durch einen regelmäßigen Austausch könne dann eine lang anhaltende Freundschaft zwischen den Menschen aus Ottobrunn und Cortona entstehen. Stefania Zuber sieht es dabei als ausschlaggebend, besonders junge Menschen in dem Projekt zu integrieren. "Wir fangen bei den Jugendlichen an", sagt sie. "Denn Frieden entsteht von unten."

© SZ vom 29.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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