Meine Woche:Der Reiz der Unbekannten

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Professor Rainer Callies hält seine Mathevorlesung im Freien. (Foto: privat)

Professor Rainer Callies hält seine Mathevorlesung im Freien

Von Helena Ott, Garching

Im Juni sitzt den Studenten der Technischen Universität (TU) die Prüfungsphase schon im Nacken - bald stehen wieder Nachtschichten an: Doch in dieser Woche heißt es noch ein letztes Mal Energie und Sonne tanken: Die Fachschaft der TU hat für das "Garnix-Open-Air" auf dem Garchinger Campus mit großer Mühe ein Programm aus Musikacts - quer durch die Genres, Filmvorführungen und einem Sportfest - vorbereitet. Die Studenten können von Montag an also einfach mal "garnix" tun.

Sogar ihre Mathevorlesung zieht für sie um - mitten auf die Festivalwiese: Professor Rainer Callies (Foto: privat) tauscht den technisch aufgerüsteten Hörsaal gegen die blanke Festivalbühne - am Dienstag um 13. 30 Uhr hält er unter freiem Himmel die Vorlesung Mathematik II für Maschinenbauer und Chemieingenieure: "Nach außen ist Mathematik oft ein sprödes Fach, wir; sind es gewohnt auf die Studenten zugehen zu müssen." So hat der 58-Jährige sofort zugesagt, als ihn die Fachschaft um die Vorlesung gebeten hat. "Ich nutze den besonderen Rahmen natürlich; das beste wäre, wenn dadurch auch der Stoff präsenter bleibt". Seine Herausforderung am Dienstag ist es, dem unterhaltungsorientierten Festivalpublikum höhere Mathematik mit mehreren "Veränderlichen" - besser bekannt als "Unbekannte" - zu vermitteln. Das allein dürfte Studenten noch nicht hinter der Festivalabsperrung vorlocken. "Aber wir brauchen in Deutschland Ingenieure, die gut in Mathe sind - damit kann man Probleme direkt lösen und muss nicht nach dem Prinzip Versuch und Irrtum verfahren." Deshalb hat Professor Rainer Callies in der Vorbereitung auf die "Outdoor"-Vorlesung schon mehrere Stunden über möglichst praktischen und anschaulichen Beispielen gebrütet: "Ich werde zum Beispiel fragen, wie man ein Fahrwerk von den Abmessungen und vom Material bauen muss, dass es möglichst leicht wird - und schon hat man zwei unbekannte Größen in einem ganz praktischen Fall". Callies weiß womit man den angehenden Ingenieur begeistern kann - vor seiner Habilitation in Mathematik hat er gleich zwei Diplomstudiengänge belegt: Physik und Maschinenbau. "Es war schon harte Arbeit; um ehrlich zu sein, hatte ich nicht viel vom Studentenleben". Der Wissenschaftler bedauert das nicht, er habe sich die stressige Kombination ja bewusst ausgesucht: "Aber jetzt freue ich mich natürlich darauf, die Studenten beim Festival mal in einem anderen Kontext zu treffen". Wenn der Wissenschaftler selbst vom Forschen und Lehren abschalten will, zieht es ihn sonst eher zum Schwimmen und Fahrradfahren als zu Festivalmusik.

© SZ vom 13.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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