Die CSU im Landkreis:Ein Männerwahlverein

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Erdrückende Begeisterung: Landrat Christoph Göbel (vorne) schließt den überwältigten neuen Kreisvorsitzenden Florian Hahn in seine Arme. (Foto: Claus Schunk)

Noch ist die Kreis-CSU nicht bereit für eine Frau an der Spitze. Die alten Seilschaften halten. Die Partei schwelgt in Zufriedenheit - vergisst darüber hinweg aber ihre strukturellen Schwächen.

Von Martin Mühlfenzl

Der Geschichte mit dem Kleeblatt wohnt eine gewisse Magie inne. Wie aus einem dreiblättrigen Kleeblatt eines mit vier Blättern wurde. Nicht durch ein Wunder, sondern durch Teamgeist, Geschlossenheit, Freundschaft und harte Arbeit. Diese Geschichte beschwören Ernst Weidenbusch, Kerstin Schreyer-Stäblein, Florian Hahn und Christoph Göbel gerne. Göbel ist in der Erzählung der CSU-Granden das vierte Kleeblatt - gewissermaßen das noch fehlende Folium zum großen Glück.

Die andere Geschichte ist kürzer als jene, die von der Landtagswahl und den zwei gewonnen Direktmandaten Schreyer-Stäbleins und Weidenbuschs im Landkreis (die ersten beiden Blätter), der Wahl Hahns zum Bundestagsabgeordneten (das dritte) und schließlich der Rückeroberung des Landratsamtes am Mariahilfplatz (richtig: das vierte Blatt) berichtet. Die zweite Geschichte hat ein hochrangiger Christsozialer erzählt und sie geht so: Mit den Sozen vergleichen wir uns überhaupt nicht mehr. Denn: Wir sind ein Tanker! Die SPD dem gegenüber nur eine kleine Nussschale. Oder im Sinne des schwarzen Übervaters Franz Josef Strauß: "Wenn man an eine große bayerische Partei denkt, dann fällt keinem der Begriff SPD ein." Mit der sollte sich die CSU am besten gar nicht beschäftigen.

Im Landkreis München tut sie das dann aber doch. Im Vorfeld der Wahl eines neuen Kreisvorsitzenden, die nach Ernst Weidenbuschs überraschender Ankündigung nicht mehr zu kandidieren, nötig geworden war. In Anspielung auf die chaotischen Umstände der Wahl Bela Bachs zur neuen SPD-Kreisvorsitzenden in einer Kampfabstimmung gegen Annette Ganssmüller-Maluche vor wenigen Wochen, hatte sich die CSU-Spitze darauf verständigt, nicht einmal im Ansatz einen Wahlkampf zuzulassen. Die beiden Kontrahenten Kerstin Schreyer-Stäblein und Florian Hahn hielten sich auch daran. Meistens.

Auffallend häufig hielt sich dann aber doch der Bundestagsabgeordnete Hahn in den vergangenen Wochen in der Heimat auf, tingelte von einem Termin zum anderen. Ganz so, als wollte er einen Vorwurf seiner Kritiker mit purer Präsenz ausräumen: Wer in Berlin sitzt, kann doch keinen Kreisverband führen. Den Vorwurf räumten die Kreisdelegierten aus - und zwar mit 57 Prozent für Hahn. Mit der Unterstützung des Landrats. Hahn wurde zum neuen Kreisvorsitzenden der CSU gewählt. Das Steuer des Tankers CSU bleibt also auch weiterhin in den Händen eines Kapitäns. In der Seemannskultur wurden Frauen an Bord mit Misstrauen betrachtet - angeblich brachten sie Unglück über die Besatzung. Ganz so schlimm ist es in der CSU nicht mehr, aber der Landtagsabgeordneten Schreyer-Stäblein das Ruder zu übergeben, dafür war die Mehrheit der Delegierten dann doch noch nicht bereit. Sie agiert fortan als eine von Hahns Stellvertreterinnen.

"Jetzt ist die Wahl vorbei. Wir stehen wieder eng zusammen", sagt Schreyer-Stäblein. Ihre Enttäuschung über die Niederlage aber konnte sie am Wahlabend nicht ganz verbergen. Ebenso ihren Ärger über die Wahlempfehlung Göbels für Hahn: "In seiner Position muss er sich so etwas schon genau überlegen."

Das hat Christoph Göbel auch. Bewusst und ganz genau. Man könnte auch sagen: mit voller Absicht. Der Kreisverband München Land vermittelt gerne das Gefühl, eine Insel der Glückseligen zu sein. Insbesondere nachdem das Landratsamt am Mariahilfplatz wieder in schwarzer Hand ist. Die sechsjährige Ära der roten Landrätin Johanna Rumschöttel war für die CSU eh nie mehr als ein Ausrutscher in der Geschichtsschreibung.

Die CSU war aber auch schon immer ein Ort der Seilschaften, der engen Freundschaften seit Jugendtagen - der typisch bayerischen Spezlwirtschaft. Die Geburtsstätte dieses Männerbündnisses war selbstredend die Junge Union. Während sich in der CDU auf Bundesebene immer noch herrliche Gerüchte um den legendären Andenpakt, jenen Männerbund in Konkurrenz zu Angela Merkel, ranken, ist die Sache bei der Kreis-CSU zwar einfacher, aber ähnlich: Es bedurfte keiner Auslandsreisen nach Südamerika, um Pläne für die Zukunft zu schmieden; Christoph Göbel und Florian Hahn, den alten JU-Freunden, reichten Ausflüge zum nächsten Wirt zur Zukunftsplanung.

Dieses Bündnis besteht bis heute. Es ist eine Hausmacht, ein Pfund, gegen das nur schwer anzukommen ist. Das bekam auch Kerstin Schreyer-Stäblein zu spüren, die dachte, sie hätte mit der ihr eigenen Hausmacht - den Frauen und der Frauenunion samt dem Vorzug, als Landtagsabgeordnete immer präsent zu sein - tatsächlich eine Chance gegen den Männerwahlverein Göbel-Hahn. Sie hat sich getäuscht. Dass sich Schreyer-Stäblein in die Riege der Stellvertreter einreiht, spricht für sie. Und sie wird sich stets daran erinnern, dass es seit langem bestehende Seilschaften waren, die erstmals eine Frau an der Spitze des Kreisverbandes verhindert haben. Einem Verband, der auf den ersten Blick tatsächlich einem Tanker gleicht. Mehr als 3200 Mitglieder zählt die Kreis-CSU; die CSU in der Landeshauptstadt, die ein eigener Bezirksverband ist, hat etwa 6100 Mitglieder. Kaum ein anderer Kreisverband ist derart gut aufgestellt: mit zwei Landtagsabgeordneten, Schreyer-Stäblein ist zudem noch stellvertretende Fraktionssprecherin der selbst ernannten Herzkammer der CSU. Dazu das Direktmandat Hahns. Drei Figuren, vollgepumpt mit Selbstvertrauen und Ambitionen. Ministerämter trauen sich alle drei zu; Schreyer-Stäblein dürfte dabei die besten Chancen haben. Das ist der erste Blick.

Ein Blick auf die politische Karte des Kreises verrät die Schwächen der CSU. In nur zehn von 29 Kommunen des Landkreises stellt die Partei den Bürgermeister; in den großen Gemeinden des Nordens - Unterschleißheim, Oberschleißheim, Garching, Ismaning und Unterföhring - haben Sozialdemokraten und Freie Wähler das Sagen. Das ist die strukturelle Schwäche der CSU: In urbanen Milieus verwelkt das Kleeblatt zusehends. Das ist auch Teil der Geschichte; eine, die das Führungsquartett nicht so gerne hört.

© SZ vom 02.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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