Landkreis:Kritische Kontrolleure

Lesezeit: 3 min

Akteure der Behindertenarbeit greifen neuerdings forsch in den Fördertopf des Landkreises. Nicht jeder ist begeistert

Von Stefan Galler, Landkreis

So ganz kann man es den Kreisräten offenbar nicht recht machen, das dürfte sich zumindest Alexander Dordevic in der jüngsten Sitzung des Kreis-Sozialausschusses gedacht haben. Gesagt hat er es natürlich nicht, denn einerseits handelt es sich bei ihm um einen sehr höflichen Menschen und andererseits ist er mit seiner Arbeit als Behindertenbeauftragter des Landkreises München auch vom Wohlwollen der Lokalpolitiker abhängig.

Dordevic war wie alle sechs Monate auch diesmal wieder in die Sitzung gekommen, um all jene Projekte in der Behindertenarbeit vorzustellen, die künftig vom Landkreis mit finanziellen Zuwendungen gefördert werden. In der Vergangenheit war der Vortrag meistens gleich vorbei, weil er nur wenige Projekte zu präsentieren hatte. Und so kam regelmäßig die Aufforderung aus dem Gremium, man möge die Behindertenarbeit in der Öffentlichkeit stärker bewerben und offensiver an Vereine und Gruppen herantreten, um diesen eine Förderung schmackhaft zu machen. Zumal seit 2011 jährlich 140 000 Euro an Haushaltsmitteln bereit stünden, die man doch nicht einfach unberührt lassen solle.

Diesmal also kam Dordevic mit einer langen Liste an Projekten in den Sozialausschuss: Satte 20 Konzepte von verschiedensten Gruppen und Vereinen waren bei ihm eingegangen, sie alle hatten ihm ihre Bedürfnisse übermittelt. "Wir haben diesmal viel Ehrgeiz hineingesteckt, schon am Jahresanfang möglichst viel von dem Fördertopf auszuschöpfen", sagte der Behindertenbeauftragte. "Denn es kam ja öfter mal Kritik daran, dass wir nicht den gesamten Etat ausgeschöpft haben."

Das könnte sich dieses Jahr ändern, denn für die 20 Projekte gibt der Landkreis zusammen bereits 105 892 Euro aus. Und es wären sogar mehr als 120 000 Euro gewesen, hätten nicht einige Kreisräte plötzlich die eigene Freigiebigkeit hinterfragt. Bernd Knaz von der ÖDP etwa traute sich kaum kritisch nachzuhaken, ob denn wirklich jedes dieser 20 Projekte gut und sinnvoll sei. "Wie kann das sein?", fragte er und implizierte damit, dass ihm eine strengere Prüfung der einzelnen Konzepte vor der Überweisung des Förderbetrags nicht unrecht wäre.

Ilse Weiß (CSU) betonte, dass es sich bei den Fördermitteln um freiwillige Leistungen des Landkreises handele. "Normalerweise wäre dafür der Bezirk Oberbayern zuständig", sagte die Neuriederin. Und ihre Fraktionskollegin Karin Göbel ergänzte, man müsse in jedem Einzelfall nachfragen, ob nicht auch vom Bezirk Geld an die Vereine ausbezahlt worden sei: "Es darf hier keine Doppelförderung geben."

Dordevic relativierte: "Unsere Projekte wären für den Bezirk viel zu klein." Es wäre nicht gut, so der Behindertenbeauftragte weiter, "wenn der Landkreis völlig aus der Förderung ausscheiden würde". Denn es gehe darum, die Arbeit der versehrten Menschen anzuerkennen. Und darüber hinaus seien die bürokratischen Hürden bei der Förderung durch den Landkreis erheblich leichter zu bewältigen als jene auf überregionaler Ebene: "Viele unserer kleinen Initiativen würden da eher verzichten, als sich das anzutun."

Landrat Christoph Göbel (CSU) vermittelte nicht den Eindruck, als würden ihn die 20 geförderten Projekte beunruhigen. Er stellte aber auch klar, dass die eingestellten 140 000 Euro für die Projektförderung aktuell die Obergrenze bedeuten: "Wenn das Geld aus ist, ist es fertig. Sonst wären das überplanmäßige Ausgaben."

In der Einzelbesprechung der Konzepte legte dann wiederholt die Grüne Frauke Schwaiblmair den Finger in die Wunde, "Wir müssen uns schon anschauen, ob das ein oder andere wirklich notwendig ist", sagte sie. Vor allem der Antrag des Vereins Traumwerker in Gräfelfing auf eine Förderung in Höhe von 19 320 Euro habe sie "überrascht". Das müsse man kritisch beleuchten, auch hinterfragen, welche Mittel der Verein habe. Der Landrat ergänzte: "Ich kenne den Verein gut, der wird heftig mit Spenden unterstützt." Schließlich wurde dem Traumwerker-Verein eine Förderung in Höhe von 5000 Euro zugesprochen und ein weiterer Zuschuss für das zweite Halbjahr in Aussicht gestellt. Alle übrigen 19 Anträge bewilligte der Ausschuss in der vorgelegten Höhe.

Die bedingungslose Freigiebigkeit dürfte jedenfalls ein Ende haben, fortan sollen alle Gruppen und Vereine, die in der Behindertenarbeit tätig sind, mit dem Antrag auf Förderung ihre Vermögensverhältnisse nachweisen und eine Ausgaben- und Einnahmen-Übersicht vorlegen. "Das müssen wir tun, damit hier nicht Vereine kommen, die ein Millionenvermögen haben und trotzdem 2000 Euro Zuschuss beantragen", sagte Landrat Christoph Göbel. "Es ist schließlich nicht so, dass wir nicht wüssten, was wir mit unserem Geld machen sollen."

© SZ vom 21.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: