Landkreis:"Die Autobahndirektion wollte die große Version"

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(Foto: N/A)

Der ehemalige Aschheimer Bürgermeister Englmann weist die Darstellung zurück, seine Gemeinde habe bei der Planung der Anschlussstelle an der A 99 Druck auf die Behörde ausgeübt. Altlandrätin Rumschöttel gibt ihm Rückendeckung

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Offiziell beginnt alles am 11. März 2013. Damals gibt der Kreisausschuss als zuständiges Gremium im Sitzungssaal am Mariahilfplatz sein Okay zum Abschluss der Bauvereinbarung zur Verlegung der Autobahnanschlussstelle Aschheim/Ismaning. Bei 13 Ja- und zwei Nein-Stimmen. Die beiden Grünen verweigern sich. Es ist die ganz große Lösung, die damals durch den Kreisausschuss abgesegnet wird. Ein 25,4 Millionen Euro teures Projekt samt Vollkleeblatt und Overfly-Kreisel, das die Autobahnausfahrt entschärfen und Staus verhindern soll.

"Von 30 Millionen Euro bin ich damals eigentlich schon ausgegangen", sagt Aschheims ehemaliger Bürgermeister Helmut Englmann, der sich seinerzeit - noch in Amt und Würden - als großer Sieger fühlen durfte. Heute muss der Christsoziale noch einmal Fragen zur Vorbereitung des Projektes beantworten. Wie auch die als Bauträger agierende Autobahndirektion Südbayern oder der jetzige Landrat Christoph Göbel (CSU) und seine Vorgängerin Johanna Rumschöttel (SPD). Alle Beteiligten sträuben sich nicht gegen Nachfragen. Doch ihre Sichtweisen sind nicht immer deckungsgleich. Das überrascht auch nicht, angesichts eines der großen Bauprojekte im Landkreis, dessen Kostenrahmen von damals angepeilten 25,4 auf 44,5 Millionen explodiert ist.

Manche wittern Schlamperei und Vertuschung, kurz: einen handfesten Skandal. Die Grünen im Kreistag haben bereits den Bundesrechnungshof in Bonn mit der Bitte um Prüfung angerufen. "Legitim" nennt Landrat Göbel dieses Vorgehen; doch er vermutet: "Das wird viel zu lange dauern."

Wie also kam es zu der Entscheidung, eine Autobahnausfahrt dieses Ausmaßes zu bauen? Wurde Druck auf den Bauträger ausgeübt? Wer hat wann von der Kostenexplosion erfahren? Und vor allem: Wer kommt für die neu entstandenen Auslagen durch die Kostennovellierung auf? Gerade zu diesem Punkt verlangt der Landkreis Antworten von der Autobahndirektion, schließlich steigt der Anteil des Kreises von 3,9 auf 6,9 Millionen Euro.

Kurz vor der Entscheidung des Kreisausschusses im Jahr 2013 fand ein Treffen aller Entscheidungsträger statt. Mit am Tisch: Die damalige Landrätin Rumschöttel, Bürgermeister Englmann, Direktionspräsident Paul Lichtenwald sowie Mitarbeiter. Es ging darum, den Prozess der Verlegung der Anschlussstelle, der nach dem Planfeststellungsbeschluss 2010 ins Stocken geraten war, wieder neu in Gang zu setzen. Dies bestätigen alle. Englmann forderte in dieser Runde eine abgespeckte Version der Anschlussstelle mit einem Overfly-Kreisel auf Aschheimer Gebiet und deutlich verkürzten Zufahrten. Unterstützung erhielt er von Landrätin Johanna Rumschöttel. "Wir hatten ja einen gültigen Kreistagsbeschluss", sagt die Altlandrätin. "Aber dann ist auf einmal Herr Lichtenwald vorgeprescht und hat gesagt: ,Wir ziehen die Maßnahme vor.' Das hat mich schon sehr überrascht." Englmann ergänzt: "Wir hatten sehr konkrete Pläne, die deutlich billiger gekommen wären. Nicht hundertprozentig optimal, aber mit einer deutlichen Verbesserung an der Anschlussstelle." So sei seine Gemeinde in die Diskussion gegangen, aber: "Die Autobahndirektion wollte die große Version."

Dies, sagt Paul Lichtenwald, habe planerische Gründe gehabt; der Planfeststellungsbeschluss habe bereits Bestand gehabt. Auch die beiden Mitarbeiter des Landratsamtes bestätigen, der Direktionspräsident habe bevorzugt, die "gesamte Maßnahme" zu realisieren. "Das war schon eine Rolle rückwärts", sagt Rumschöttel heute. "Denn davor hieß es seitens der Autobahndirektion, das Geld sei nicht da. Wir waren dann schon ziemlich perplex, als es auf einmal doch ging."

Doch wer hat in dieser Situation auf wen Druck ausgeübt? "Da war schon relativ starker Druck der Gemeinde", erinnert sich Rumschötttel. "Für mich und das Landratsamt kann ich das zurückweisen, wir haben ja auch keine Planungen gemacht." Von "positivem Druck" aus Aschheim spricht Lichtenwald: "Es war ja in beiderseitigem Interesse, dass es losgeht." Und Englmann? "Dass wir Druck auf die Autobahndirektion ausgeübt haben, ist sachlich nicht richtig. Uns war wichtig, dass zumindest ein Teil, der auf Aschheimer Gebiet mit Overfly-Kreisel, umgesetzt wird, um den Wahnsinn zu beenden."

Jetzt kostet der Wahnsinn 44,5 Millionen Euro - und die Autobahndirektion räumt ein, sie hätte früher über die Kostensteigerung informieren müssen. Landrat Göbel, seit 1. Mai 2014 im Amt, betont, erstmals mit dem Schreiben der Autobahndirektion vom 17. März dieses Jahres von der Kostenmehrung erfahren zu haben. Auch seine Vorgängerin lässt verlautbaren, zu keinem Zeitpunkt über eine Steigerung informiert worden zu sein.

Jetzt aber, "kurz vor Fertigstellung des Projektes", kritisiert der grüne Kreisrat Markus Büchler, verdoppelten sich die Kosten für den Landkreis nahezu - und dieser solle dafür geradestehen. Ganz so einfach wird es wohl nicht. Am Montag, 27. April, wird der bei der Autobahndirektion Südbayern zuständige Projektleiter Gilbert Peiker dem Kreisausschuss Rede und Antwort stehen - und auch Fragen zur Finanzierung beantworten müssen. Landrat Göbel sagt, diese müsse natürlich auf den Prüfstand. "Es geht hier um viele einzelne Maßnahmen und nicht eine große", sagt Göbel. "Und es muss klar werden, welche für den Kreis eine Kostenmehrung bedeuten." Direktionspräsident Lichtenwald bremst hier bereits: "Der Landkreis hat einen prozentualen Anteil zu tragen. Dieser entwickelt sich linear zur Kostensteigerung." Doch das wollen viele im Kreistag nicht hinnehmen und pochen - wie die Grünen - auf einen Ausstieg des Landkreises aus der Finanzierung.

Was am 11. März 2013 begonnen hat, ist noch längst nicht abgeschlossen. Fest steht bisher nur: Die Anschlussstelle wird Ende 2015 fertig sein. So oder so.

© SZ vom 15.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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