Landkreis:Damit niemand durchs Netz fällt

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Jobwerkstatt soll schwächere Mittelschüler auf das Berufsleben vorbereiten. Der Kreis fördert das Pilotprojekt

Von Stefan Galler, Landkreis

Es gebe keinen schwierigeren Schritt als jenen von der Schule in den Beruf, findet Michael Sedlmair, der frühere Ismaninger Bürgermeister. Der Kreisrat der Freien Wähler ergriff im Kreisausschuss Partei für die Pläne der Kolping-Bildungsagentur, deren "Jobwerkstatt" für schwächere Mittelschüler als Pilotprojekt des Landkreises zu etablieren: "Vor allem für diejenigen, denen man sogar einen Wecker schenken muss, weil ihre arbeitslosen Eltern nicht mal in der Lage sind, sie morgens aus dem Bett zu holen, für diejenigen also, die daheim nichts haben, muss etwas getan werden."

Für Mittelschüler gehört es normalerweise zum Standard ihrer Ausbildung, dass sie zwischenzeitlich in Betrieben sozusagen die Luft des Berufslebens schnuppern und erste Kontakte knüpfen, um später eventuell eine Lehrstelle zu bekommen und nicht zuletzt herauszufinden, welche Arbeit ihnen am meisten Spaß macht. Mittlerweile haben zahlreiche Schulen im Landkreis allerdings feststellen müssen, dass keineswegs alle Mittelschüler in der Lage sind, solche Betriebspraktika erfolgreich zu absolvieren. Manche fühlen sich überfordert, fehlen oft unentschuldigt und brechen nicht selten vorzeitig ab. "Oft fehlt den Heranwachsenden schlichtweg das Selbstvertrauen, das wollen wir ihnen in der Jobwerkstatt vermitteln", sagte Jutta Kienzle, die Geschäftsführerin der Kolping-Bildungsagentur.

Das Konzept sieht vor, dass sich Sozialpädagogen mit handwerklicher Zusatzqualifikation oder Handwerker mit Fähigkeiten im pädagogischen Bereich während des Praktikums intensiv um die einzelnen Schüler kümmern, deren Persönlichkeit und Verhalten während der in der Regel zweiwöchigen Phase im Betrieb fördern und dafür Sorge tragen, dass die Jugendlichen ihr Engagement auch wirklich bis zum Ende durchziehen.

Bisher steht das Konzept für die Mittelschule Oberhaching, der Start ist für das Schuljahr 2015/16 vorgesehen. Bis dahin soll der gesamte Mittelschulverbund Süd, dem neben Oberhaching auch die Schulen in Pullach, Taufkirchen und Unterhaching angehören, auf das Projekt vorbereitet sein. Je nach Auslastung können auch noch Jugendliche aus Haar berücksichtigt werden. Rund hundert Jugendlichen kann auf diese Weise ein Praktikum in den Berufen Holzwerker/Schreiner, Gärtner oder Maler/Lackierer ermöglicht werden.

"Das ist ein enorm wichtiges Projekt für den gesamten Schulverband", findet Oberhachings Bürgermeister Stefan Schelle. "Hier wird Kindern, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, gezeigt, dass sie etwas wert sind", so der Vorsitzende der CSU-Kreistagsfraktion, der sich dafür stark machte, das Pilotprojekt nach zwei Jahren auf den gesamten Landkreis auszudehnen. "Bis dahin werden sich bestimmt in anderen Schulverbänden Nachahmer finden." Obwohl sich am Ende alle Mitglieder des Kreisausschusses für die Förderung der Jobwerkstatt durch den Landkreis aussprachen, gab es doch auch kritische Äußerungen. Die Grüne Brigitte Huber zweifelte den Anspruch des Projektes an, "in ein paar Wochen grundsätzliche Defizite" bei den Jugendlichen zu beheben. SPD-Kreisrätin Margit Markl sagte, bei der Jobwerkstatt handele es sich ihrer Meinung nach "eher um eine therapeutische als um eine präventive Maßnahme", und kritisierte, dass die Lebenswirklichkeit anders sei als "behütete Kleinstprojekte".

Letztlich ließen sich aber auch die Skeptiker nicht davon abbringen, am Ende für das durchaus kostspielige Unternehmen zu votieren. Neben den Personalkosten von bis zu 150 000 Euro pro Jahr übernimmt der Landkreis auch die Anschubfinanzierung in Höhe von 76 000 Euro, verteilt auf drei Haushaltsjahre, für die Werkstatt- und Büroausstattung sowie die Anschaffung eines Autos. Auch die Sach- und Gemeinkostenzuschüsse von rund 118 000 Euro für die beiden Schuljahre während des Pilotprojekts trägt der Landkreis. Landrat Christoph Göbel zeigte sich mit dem Beschluss zufrieden: "Gerade im so erfolgreichen Landkreis München darf kein Jugendlicher durchs Netz fallen", sagte der CSU-Politiker.

© SZ vom 24.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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