Landgericht München I:Rädelsführer der Russen-Mafia verurteilt

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"Diebe im Gesetz" heißt eine europaweit agierende Russen-Mafia: Rädelsführer Otar K. kommt mit einer vergleichweise milden Strafe davon.

Christian Rost

Wie eine Spinne hat eine kriminelle Vereinigung nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in Europa ihr Netz ausgebreitet. In jeder größeren Stadt unterhalten die sogenannten "Diebe im Gesetz", Abgesandte, die Diebstähle organisieren und das erbeutete Geld nach Moskau weiterleiten. Mit der Struktur und den Straftaten dieser Mafia-Organisation befasste sich am Dienstag das Landgericht München I. Vor der zweiten Strafkammer musste sich ein 47-jähriger Georgier als Rädelsführer verantworten. Er kam mit einer vergleichsweise milden Strafe davon.

Richterhammer Richterhammer (Foto: iStockphoto)

Ein ehernes Gesetz der Diebe im Gesetz lautet, niemals staatliche Normen zu achten und mit Behörden zusammenzuarbeiten. Wie dies in der Praxis aussieht, davon gab der Angeklagte Otar K. am Dienstag eine Kostprobe. Vor seinem Transport von der Justizvollzugsanstalt Landshut nach München randalierte der an sich eher schmächtige Mann derart, dass er von den Justizbeamten regelrecht verschnürt werden musste. Mit Hand-, Fußfesseln und einem Haltegurt um die Brust kam der Untersuchungshäftling schließlich im Strafjustizzentrum in der Nymphenburger Straße an.

Die Staatsanwaltschaft Kempten, die federführend gegen die Diebe im Gesetz ermittelt, hält K. für ein hochrangiges Mitglied der Organisation. Er soll als Gesamtverantwortlicher speziell für die Städte Berlin und Hamburg zuständig gewesen sein und dort auch die Beiträge, die jedes Mitglied der Bande monatlich an die Moskauer Zentrale abführen muss, eingesammelt haben. Nachweisen kann ihm die Anklage jedoch nur zwei Fälle, in denen er insgesamt 540 Euro erhalten haben soll.

Wie die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft ergaben, wurde auch in München eine Kasse für solche Beiträge geführt. In dieser Kasse wurden zeitweise sämtliche Einnahmen der Verbrecherorganisation in Deutschland gesammelt. Für die Kassenführung war von 2008 an mutmaßlich ein Mann namens Ramin R. zuständig, der im Mai 2009 nach einem Bandendiebstahl in einem Münchner DM-Drogeriemarkt verhaftet wurde.

Mit Diebstählen im großen Stil finanzieren sich die Diebe im Gesetz. Im Fokus stehen dabei Zigaretten, teure Drogerieartikel, Spirituosen, Designerkleidung und Elektrogeräte. Zum Absatz der Waren soll auch ein flächendeckendes Hehlernetz geschaffen worden sein. Die Organisation entstand laut Staatsanwaltschaft bereits im Gulagsystem der Stalinzeit. In den Straflagern sicherten besonders einflussreiche Kriminelle ihren Führungsanspruch und dehnten ihren Einfluss nach ihrer Entlassung weiter aus.

Ihre Mitglieder rekrutiert die Organisation, die sich nach dem Zerfall der UdSSR global ausdehnte, in sämtlichen Teilrepubliken der ehemaligen Sowjetunion. Verstöße gegen die internen Regeln werden brutal bestraft. So kam es am 14. Februar 2010 in Nizza zu einem Schusswechsel, bei dem 40-mal durch eine Wohnungstür gefeuert wurde. Ziel der beiden Schützen war Vladimir D., der beschuldigt wurde, Mitgliedsbeiträge der Organisation, die sogenannten Abschtschjak-Gelder, in Hamburg veruntreut zu haben. Er wurde am 18. März 2010 in Marseille erschossen aufgefunden.

Obwohl solch drakonische Bestrafungen durchaus üblich sind bei den Dieben im Gesetz, nahm der in München angeklagte Georgier ein Angebot des Gerichts an. Im Falle eines umfassenden Geständnisses war Otar K. eine Freiheitsstrafe von höchstens einem Jahr und neun Monaten zugesichert worden. Ein mildes Urteil, zumal Verteidiger Sewarion Kirkitadse überdies ausgehandelt hatte, dass ein weiterer Anklagepunkt fallengelassen wurde. In der JVA Landshut hatte K. einen Mithäftling massiv bedroht.

© SZ vom 05.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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