Mit erstaunlicher Verve spielt die CSU im Kreistag derzeit in den Verhandlungen über den Kreis-Haushalt Klima- und Naturschutz sowie Soziales und Jugendhilfe gegeneinander aus - und treibt dabei mit ziemlicher Rücksichtslosigkeit den eigenen Landrat vor sich her. Gleichzeitig ist es ein politischer Paradigmenwechsel, den die Christsozialen, angeführt von ihrem Landtagsabgeordneten Ernst Weidenbusch, anstreben: Weg von einem progressiven, modernen Weg, den nicht zuletzt Landrat Christoph Göbel eingeleitet hat, und zurück zu einem Landkreis als reinem Pflichterfüller.
Klar ist, die anhaltende Corona-Krise trifft mit ihren wirtschaftlichen Folgen auch den Landkreis München. Angesichts des prognostizierten Einbruchs vor allem bei der wichtigsten Einnahmequelle der Kommunen, der Gewerbesteuer, um etwas mehr als sechs Prozent, müssen die Kreispolitiker überlegen, was sich selbst ein so reicher Landkreis noch leisten darf und was nicht. Wenn aber die Rolle der Kreispolitik darauf reduziert wird, nur noch ihren Pflichten wie etwa den Sozialleistungen nachzukommen, geht mehr verloren als der Ruf eines Landkreises, der die Notwendigkeit des Klima- und Umweltschutzes erkannt hat. Die CSU im Kreistag - und mit ihr die SPD - riskieren, dass der noch immer prosperierende Landkreis an Lebensqualität und Attraktivität verliert. Für den Wirtschaftsstandort wäre dies brandgefährlich.
In den vergangenen sechs Jahren ist es Landrat Göbel gelungen, die unterschiedlichen Strömungen innerhalb des Kreistags ausreichend zu berücksichtigen und miteinander zu versöhnen, im Sinne eines guten Klimas und breiten Mehrheiten: wirtschaftliche Interessen bei der CSU, soziale Forderungen der SPD und klimapolitische Wünsche der Grünen. Seine eigene Fraktion zwingt ihn nun, diesen Konsens gegen seinen Willen in weiten Teilen aufzukündigen. Und ohne Not berauben sich die Kreisräte zugleich ihres Handlungsspielraums.