Kreis und quer:Zimmer frei am Wertstoffhof

Lesezeit: 2 min

Billiger Wohnraum? Günstige Gewerbefläche? Alles kein Problem. Wenn die Bezeichnung stimmt. "Am Drogenumschlagplatz" und in der "Nachtschneckenstraße" sind noch Parzellen frei

Von Wolfgang Krause

In der Haut der Bürgermeister und Gemeinderäte im Landkreis München möchte man wirklich nicht stecken. Einerseits sollen sie Wohnraum schaffen, andererseits die hohe Lebensqualität erhalten, was nach der herrschenden Meinung nur durch eine großzügige, lockere Bebauung möglich ist. Deshalb ringen sie um jeden Quadratmeter Geschossfläche und um jeden Autostellplatz, bauen die allerletzten Grundstücke mit kleinen Häuschen zu - und treiben so die Immobilienpreise und damit auch die Mieten immer weiter nach oben. Es ist ein Teufelskreis, aus dem es scheinbar keinen Ausweg gibt.

Oder doch? Man muss es ja nicht gleich so übertreiben, wie die Aschheimer, die einen riesigen Schlachthof bauen wollen, um die Wohnkosten in der Umgebung durch Lärm, Gestank und das schlechte Image der Fleischindustrie zu drücken. Es darf schon noch ruhig und schön sein im Landkreis. Aber man sollte nicht mehr damit hausieren gehen, im Gegenteil. Mehrere Studien belegen, dass es einen Zusammenhang zwischen Straßennamen und Grundstückspreisen gibt - je ätzender die Adresse klingt, desto erschwinglicher ist die Wohnung. Da könnte man ansetzen und müsste sich gar nicht groß umstellen.

Wenn die Oberhachinger Gemeinderäte zum Beispiel ihre neuen Straßen nach Tieren benennen wollen, bitte sehr - es müssen ja nicht immer Amsel, Drossel, Fink und Meise sein. Nacktschneckenstraße, Fleischfliegenweg und Borkenkäferallee böten sich an, in Neubiberg und Feldkirchen hätte auch der Asiatische Laubholzbockkäfer einen Platz auf dem Ortsplan verdient. Wem das immer noch zu wenig örtlichen Bezug hat, der kann gerne auf bestehende Negativeinrichtungen verweisen: Am Wertstoffhof, Hinter der Schallschutzwand, Neben der Kläranlage, An der Tankstelle, Bei der Burschenhütte - so was senkt die Mieten garantiert. An der Durchgangstraße und Am Drogenumschlagplatz kann man sicher auch günstig wohnen.

Bei der Gewerbeansiedlung könnten die Kommunen ebenfalls ganz neue Wege gehen. Sie müssten sich nicht mehr gegenseitig mit Dumping-Steuersätzen unterbieten, sondern könnten durch kreative Straßennamen bei den Immobilienpreisen punkten. Der Ludwig-Bölkow-Campus ist Ihnen zu teuer? Dann kommen Sie mit Ihrem Unternehmen zu uns ins Pleitierquartier, in der Anton-Schlecker-Straße und am Thomas-Middelhoff-Weg sind noch fast alle Parzellen frei - nur fünf Minuten zu Fuß zur Bushaltestelle Verliererstraße. So schafft man Arbeitsplätze, vor allem im Mindestlohnbereich. Zugegeben, in Grünwald wird diese Taktik nicht aufgehen. Dort könnte man vermutlich sogar einen Briefkasten am Hartzweg 4 für 4000 Euro kalt vermieten. Da wird man um einen neuen Ortsnamen nicht herumkommen. Vorschläge werden gerne angenommen.

© SZ vom 20.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: