Kreis und quer:Wohnst du noch?

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Wenn die Preise so weiter steigen, kann bald keine Kindergärtnerin und kein Friseur mehr in der Region leben

Von Iris Hilberth

Als diese Woche das Institut für Immobilienforschung (IVD) wieder einmal seinen Bericht über Miet- und Kaufpreise im Münchner Umland veröffentlicht hat, war einem eigentlich schon klar, was drinstehen würde, bevor man auch nur eine Zahl gelesen hatte. Jedes halbe Jahr kann man in dem Papier nachschauen, was inzwischen eine Doppelhaushälfte im Landkreis München kostet und wie viel man für eine Mietwohnung monatlich hinblättern muss. Die Tendenz ist unverändert,es wird immer noch teurer. Und viele fragen sich: Wer kann das eigentlich noch zahlen?

Natürlich gibt es Leute, die genug Geld haben, um eine Million und mehr in ein Häuschen zu investieren. Die Nachfrage ist sogar so groß, dass die Immobilien meist schon verkauft sind, bevor noch der Keller betoniert ist. Die Nachverdichtung, die Wohnraum schaffen soll, läuft meistens doch so ab: Das alte Häuschen der Oma wird abgerissen, die Erbengemeinschaft macht ein gutes Geschäft und auf dem Grundstück entstehen zwei Dreispänner zu exorbitanten Preisen. Selbst wenn Wohnungen gebaut werden, können Leute mit mittleren oder niedrigem Einkommen nur davon träumen, dort einzuziehen.

Bezahlbarer Wohnraum war zu Recht eines der wichtigsten Themen im Bundestagswahlkampf. "Macht endlich was!" bekamen die Kandidaten allerorts zu hören. In den Rathäusern bemüht man sich schon länger, im sozialen Wohnungsbau endlich wieder voranzukommen. Bürgermeister sorgen sich um die Zusammensetzung ihrer Gemeinden, wenn sich nur noch Reiche dort ansiedeln. Sie fragen sich, wo das Personal für die Kindergärten, die Angestellten der Verwaltung und die Polizeibeamten unterkommen sollen, zumal deren Dienstleistungen immer vehementer von den Bürgern eingefordert werden. So gibt es Einheimischenmodelle wie in Oberhaching, Genossenschaften steigen ein wie in Neubiberg, in Taufkirchen nutzt man den Wohnungspakt Bayern. In Haar wagt man sich wieder an Hochhäuser und Unterhaching traut sich, die GFZ-Zahl zu erhöhen. Doch all das ist immer noch viel zu wenig.

Vor allem müssen die Gemeinden als Bauherren solcher Vorhaben meist hohe Hürden in der eigenen Bürgerschaft überwinden. In Neubiberg regte sich Widerstand, weil Anwohner eine Wiese als Spielplatz erhalten wollten, in Pullach soll jetzt ein Bürgerbegehren ein kommunales Bauvorhaben verhindern. Die Argumentation ist immer die gleiche: zu groß, zu massiv, passt nicht ins unseren Ort. Alles soll so bleiben, wie es ist, und wer es sich nicht leisten kann, soll eben woanders hinziehen. Aber irgendwann sitzen sie alle in ihren teuren Häusern und keiner ist mehr da, der die Kinder betreut, die Oma pflegt, die Haare schneidet oder den SUV repariert. Dagegen können sie ja dann auch Unterschriften sammeln. Nützt aber nichts.

© SZ vom 30.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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