Kreis und quer:Von vorne aufgezäumt

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Stefaniritt in Oberhaching, Dreikönigsritt in Arget - dass Pferde neuerdings als Klimasünder gelten, kann den Traditionen nichts anhaben

Kolumne von Lars Brunckhorst

Das neue Jahr ist zwar erst ein paar Tage alt, aber ein Bild des Jahres, das in zwölf Monaten in kaum einem Rückblick fehlen wird, gibt es bereits: Es ist das von dem Pferd, das bei Taufkirchen in einem Schlammloch zu versinken drohte und von der Feuerwehr mit einem Kran gerettet wurde. Ein herzergreifender Einsatz mit Happy End.

Kleine Mädchen müssen jetzt aber trotzdem sehr stark sein: Denn Black Beauty und Fury sind - was die Umwelt angeht - rechte Stinker. Laut einer aktuellen Klimabilanz belastet die Haltung eines einzigen Pferdes pro Jahr die Umwelt genauso sehr wie eine 21 500 Kilometer lange Autofahrt. Weil die Deutschen im Durchschnitt aber nur 13 000 Kilometer im Jahr fahren, könnte sich - anders herum gerechnet - jeder zusätzlich zum Auto also noch ein kleines Pony zulegen.

Damit schneidet das Pferd fast genauso schlecht ab wie das als Klimakiller viel geschmähte Rind, wobei die Kuh wenigstens Milch gibt, während Shetland und Haflinger nur auf der Koppel herumstehen, bis Mutti mit ihren beiden Töchtern im SUV einmal die Woche aus der Stadt für zwei Stunden raus zum Reiterhof fährt. Gut, das ist jetzt grob vereinfacht, denn es gibt ja auch Pferdesalami.

Trotz dieser Ökobilanz werden am Sonntag wieder viele Hundert Pferdeliebhaber zum traditionellen Dreikönigsritt nach Arget strömen, weil's so schön ist: die prachtvoll geschmückten Rösser, die Barockkirche Sankt Michael und dann - wenn's Wetter mitspielt - das Alpenpanorama bei Schnee. Dabei dürften die drei Umrundungen der Kirche in etwa so klimaschädlich sein wie ein Formel-1-Rennen in Monza. Und der Argeter Dreikönigsritt ist ja keineswegs der einzige. Am zweiten Weihnachtsfeiertag gab es bereits den Stefaniritt in Oberhaching und im Sommer folgen noch der Leonhardiritt in Siegertsbrunn und der Aufgalopp zum Sankt-Anna-Fest in Staucharding.

Nein, hier soll kein altes Brauchtum mies gemacht werden. Aber im Gegensatz zu früher, als die Umritte unter anderem eine Art Auszeit für Ackergäule von der harten Feldarbeit waren, werden Pferde heute in den seltensten Fälle als Nutztiere gehalten, sondern für Sport, Spaß und wegen des Kuschelfaktors, also praktisch zusätzlich zum Hund, über dessen Auswirkungen auf die Umwelt seit dem Buch "Time to eat the dog?" alles gesagt beziehungsweise geschrieben ist.

Die annähernd zweitausend Pferde, die es im Landkreis gibt, sind im Hinblick auf die Klimaschutzinitiative 29++ jedenfalls eine ähnliche Herausforderung wie die 2900 dauer wiederkäuenden und furzenden Milchkühe. Da trifft es sich gut, dass das Jahr zumindest mit einer positiven Nachricht für die Umwelt begann: Die Stadtwerke München wollen ihren Kohleblock im Heizkraftwerk Unterföhring nun offenbar doch durch eine Gasturbine ersetzen. Die 800 000 Tonnen Steinkohle, die dort jedes Jahr verfeuert werden, stoßen auf jeden Fall weit mehr CO₂ aus als alle Pferde und SUVs im Landkreis zusammen. Zeit zum Umsatteln.

© SZ vom 05.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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