Kreis und quer:Vom Herrn zum Knecht

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Die Unterhachinger Sparkassenfiliale wird Schauplatz des Duells Mensch gegen Maschine. Der Geldautomat gewinnt und stellt damit manches in Frage

Von Michael Morosow

Nächster Halt Ostbahnhof", flötet eine liebliche Frauenstimme so zart, dass der Fahrgast im Führerstand der Trambahn eine Fee vermutet, aber beim Aussteigen gleich zwei Irrtümer bemerkt: Erstens sitzt vorne keine Fee, sondern ein vollbärtiger Typ, der morgens wahrscheinlich mit Reißnägeln gurgelt, und zweitens wäre Ostbahnhof erst die nächste Station gewesen. Ein Tonbandaussetzer halt, kann passieren. Was lehrt uns diese kurze Episode? Man sollte sprechenden Geräten grundsätzlich nicht blind vertrauen, ein Blick aus dem Fenster wäre zielführender gewesen. Und es ist nicht immer der Fall, dass Computer, Automaten und Maschinen dem Menschen das Dasein erleichtern, sie können mitunter grausam und nervig sein.

Inzwischen macht sich der Kühlschrank wichtig und teilt uns per App mit, dass die Butter aufgebraucht sei. Demnächst wird wohl die Kaffeemaschine anrufen, weil sie entkalkt werden will. Die Dinger machen sich allmählich selbständig, werden dominant und scheren sich einfach nicht mehr um die zum Start der technischen Revolution ausgegebene Parole: "Der Mensch denkt, die Maschine lenkt." So als hätten sie allesamt Charlie Chaplins Modern Times im Kino gesehen, in dem die Maschinen die Menschen bedingungslos unterwerfen statt ihnen zu dienen. Vom Herrn zum Knecht haben wir uns gewandelt, seit wir mit der Erfindung der künstlichen Intelligenz die Büchse der Pandora geöffnet haben.

In einer Unterhachinger Sparkassen-Filiale ist es nun zum Showdown zwischen Mensch und Maschine gekommen. Eins gegen Eins, Kundin gegen Geldautomat, Auge in Auge. Sie war chancenlos, aber sie wollte es so. Anstatt mit ihrem Packen Geldscheine zum Einzahlen an den Schalter zu gehen und ihn einem Menschen aus Fleisch und Blut in die Hand zu drücken, schritt sie zum Geldautomaten, wohl im Vertrauen darauf, dass der frei von der Schlechtigkeit des Menschen ist und nicht bescheißt. Die Transaktion lief gut an, der Automat schluckte anstandslos hintereinander zwei Bündel, verbuchte das Geld brav auf dem Konto der Leichtgläubigen und stellte artig Quittungen aus. Beim dritten Geldbündel aber zeigte sich der Geldautomat von seiner unwirschen Seite. Seine Klappe klemmt das Bündel ein, statt es einzuziehen. Die Kundin kann gerade noch drei Scheine seinem Schlund entreißen, den Rest vertilgt der Geldautomat, ohne aber eine Quittung auszustellen.

Jetzt hätte er mit einem satten Rülpser seine Überlegenheit unterstreichen können, aber weil Geldautomaten einen Hang zum Sarkasmus haben, verarschte er die Frau lieber mit der Bildschirmanzeige: "Geld entnehmen." Der Kundin fehlten am Ende 2090 Euro, aber auch ihr Vertrauen in die Seriosität von Automaten ist verloren gegangen. Die Bank weist jede Schuld von sich, vom Geldautomaten hört man gar nichts mehr.

© SZ vom 18.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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