Kreis und quer:Viel heiße Luft

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Die Politik macht weiterhin keine klaren Vorgaben, welche Maßnahmen geeignet sind, einer erneuten Schließung der Schulen vorzubeugen. Das sorgt für Verunsicherung - auch in den Kreisgremien

Kolumne von Martin Mühlfenzl

Einer der ganz hässlichen Begriffe der Verwaltungslehre lautet: Wiedervorlage. Bedeutet er doch, dass wieder einmal bedeutungsschwanger viel geredet werden muss, weil immer noch nichts entschieden ist - und wahrscheinlich auch wieder nichts Konkretes herauskommen wird. Im Bauausschuss des Kreistags kam diese Woche ein Thema auf Wiedervorlage, dass Kommunalpolitiker nahe an den Rande der Verzweiflung treibt: Luftreinigungsgeräte in Klassenzimmern und der damit verbundene Infektionsschutz in den Schulen.

Es gibt in dieser Pandemie kaum ein Thema, das derart emotional aufgeladen ist wie der Umgang mit Kindern und Jugendlichen und die Sicherstellung von Präsenzunterricht. Und es gibt kaum einen Bereich, in dem es die Bundes- und Landespolitik erfolgreicher schafft, sich wegzuducken und die Verantwortung auf jene abzuladen, die den Druck direkt vor Ort aushalten und erdulden müssen: die Bürgermeister, Gemeinde- und Stadträte, Kreisräte und auch der Landrat. Bayerns Kultusminister Michael Piazolo von den Freien Wählern hat mittlerweile eine regelrechte Kunstform daraus entwickelt, nahezu täglich den Präsenzunterricht von Herbst an "mit allen Mitteln" zu garantieren, aber keinem Menschen zu erklären, wie das genau funktionieren soll. In der neuesten Regelung der FILS-R-N (versteht auch kein Mensch, bedeutet aber lediglich Richtlinie zur Förderung von Investitionskosten für technische Maßnahmen zum infektionsgerechten Lüften in Schulen) regelt Piazolos Ressort nun, das neben mobilen Luftreinigungsgeräten auch der Einsatz von Ionisations- und Plasmatechnologie in Klassenzimmern vom Freistaat gefördert werden kann. Ionen und Plasma - klingt spektakulär, versteht am Ende aber auch niemand. Und welche Technologie nun genau in welchem Klassenzimmer oder Fachraum verwendet werden soll, verrät die FILS-R-N leider auch nicht.

Mitarbeiter im Landratsamt haben sich vielleicht deshalb gedacht, der Einfachheit halber könnte der Landkreis gleich alle Räume seiner Schulen mit je einem mobilen Luftreiniger ausstatten. Diese Wiedervorlage des Themas war den Kreisräten - und unter ihnen vor allem den Bürgermeistern - dann aber doch zu kurz gedacht. Und so lehnten sie den Vorschlag mit großer Mehrheit ab. Stattdessen wird nun jedes Klassenzimmer einzeln begutachtet, für jeden Raum nach einer individuellen Lösung gesucht - und wahrscheinlich auch sehr viel Geld in die Hand genommen.

Dass nach weit mehr als eineinhalb Jahren Pandemie noch immer darüber diskutiert wird, ob Stoß-, Kipp- oder Querlüften, Luftreiniger, Ionen- und Plasmagedöns oder Kombinationen aus all den Maßnahmen das Allheilmittel sein sollen, um die Schulen offenzuhalten, ist mehr als unverständlich. Und dass sich die Politik weigert, klare Ansagen zu machen, ist ein Skandal. So wird eine Frage im Herbst auf Wiedervorlage kommen: Wann müssen die Schulen schließen?

© SZ vom 17.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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