Kreis und quer:Verschenkte Zeit

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Auch wenn uns am Sonntag die geklaute Stunde zurückgegeben wird: Es wird höchste Zeit über die Abschaffung der Zeitumstellung nachzudenken

Von Michael Morosow

Zeitumstellung, Uhrumstellung, Sommerzeit, Winterzeit, Stunde vor und zurück, macht keinen Sinn, bringt kein Glück. Dieser Refrain eines im Wortsinne zeitkritischen Liedes bringt unseren Ärger über die im Jahr 1980 hierzulande eingeführte Zeitumstellung auf den Punkt. Leider gibt es noch keinen Paragrafen im deutschen Strafrecht, der den Diebstahl von Zeit mit aller Härte ahndet. Die Bundesregierung säße dann auf der Anklagebank und müsste sich dafür rechtfertigen, dass sie uns jeweils am letzten Sonntag im März um 2 Uhr Früh eine ganze Stunde stiehlt, auch wenn sie diese jeweils am letzten Sonntag im Oktober um 3 Uhr Früh wieder rausrückt; beide Male also im Schutz der Dunkelheit an der Uhr dreht.

Beginnen wir mit der Sommerzeit: Am 27. März war es, als uns zur Tatzeit 2 Uhr eine Stunde entwendet wurde, während wir uns in der REM-Phase befanden. Also zur Unzeit und nicht etwa dann, wenn wir darüber froh gewesen wären, zum Beispiel während der Arbeitszeit. Diese Stunde verschwand wie ein sterbender Stern in einem schwarzen Loch, lautlos aber und von vielen Schnarchnasen nicht bemerkt. Und wir mussten uns hernach mit 3600 Sekunden weniger Schlaf aus dem Bett quälen, schauten beim Frühstück noch unaufgeräumter drein als sonst und litten den ganzen Tag über unter einer Art Jetlag für Arme. Und wenn es blöd lief, hatten wir vergessen, die Uhr um eine Stunde vorzustellen und trafen mit einem Lied auf den Lippen pünktlich um 8 Uhr (eigener Zeitrechnung) am Arbeitsplatz ein, wo man bereits seit 8 Uhr (Zeitrechnung des Chefs) vermisst worden war.

In der Nacht auf Sonntag, 30. Oktober, Punkt 3 Uhr wird uns diese Stunde großherzig wieder zurückgegeben. Danke dafür, dass es deshalb noch früher dunkel wird. Dass unserem Schlafrhythmus ein Knüppel zwischen die Beine geworfen wird, ist das eine. Dass wir aber als Folge des Stundenklaus frühmorgens im trüben Schein des Mondes das Haus verlassen müssen und bei Dunkelheit wieder heimkehren, ist das andere.

Wenn die Nacht schon kurz nach dem Nachmittagskaffee über einen hereinbricht, dann bleibt freilich mehr Zeit, über den Weltenlauf zu sinnieren und zum Beispiel den alten Ägyptern rein gedanklich eine überzubraten mit einem mindestens zwei Meter langen ehernen Stundenzeiger. Sie waren es, die vor 5000 Jahren die Sonnenuhr als ersten Zeitmesser erfanden, anstatt weiter Pyramiden zu bauen und Skarabäen zu schnitzen. Und den ebenso siebengescheiten Babylonern wünschen wir tausend ewig schrillende Radiowecker in ihr Totenreich, weil sie nichts Besseres zu tun hatten, als Tag und Nacht in Stunden, Minuten und Sekunden einzuteilen. Es wird höchste Zeit über die Abschaffung der Zeitumstellung nachzudenken. Eine Stunde dürfte hierfür genügen.

© SZ vom 29.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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