Kreis und quer:Verlorene Identität

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Der Landkreis ist nicht gerade reich an architektonischen Schönheiten. Der Abriss des Bahnwärterhauses in Unterföhring macht ihn noch etwas ärmer

Von Lars Brunckhorst

Ob Schloss Schleißheim oder die Burg Grünwald - der Landkreis hat eine Reihe von Sehenswürdigkeiten. Abgesehen davon sind die architektonischen Schönheiten rund um München indes rar. Vor allem die Bahnhöfe, in der heutigen Zeit so etwas wie früher die Stadttore, sind oftmals alles andere als Visitenkarten ihrer Orte. Als Beispiele seien nur etwa Haar und Ottobrunn genannt. Unterföhring ist eine Ausnahme. Nicht nur, weil die Mediengemeinde im Nordosten Münchens einen - wie sollte es anders sein? - hypermodernen Bahnhof hat, sondern weil in dessen Nachbarschaft auch noch das alte Bahnwärterhaus mit seiner gelben Fassade, seinen weißen Fenstern und grünen Fensterläden steht. Der Bau aus dem Jahr 1909 wurde vor nicht allzu langer Zeit saniert und beherbergt seither die Caritas und zwei Künstlerateliers. Ein Blickfang in der sonst gesichtslosen Gemeinde, die vor allem wegen der Beton- und Glaspaläste von Allianz, Pro Sieben und Sky bekannt ist und demnächst vielleicht durch eine aus dem Weltall sichtbare rote 7.

Dennoch soll das Häuschen jetzt abgerissen werden. So hat es der Gemeinderat weitgehend unbemerkt beschlossen. Erst beim Spatenstich für die neue Ortsmitte erschrak so mancher, als er die Planzeichnungen sah und bemerkte, dass das Bahnwärterhaus fehlt. Es handle sich eben um ein altes Gebäude, das noch dazu nicht einmal denkmalgeschützt sei, sagt dazu Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer, der das Haus schon vor Jahren, als er noch einfacher Gemeinderat war, weg haben wollte. Sein politischer Weggefährte von der PWU, der Fraktionsvorsitzende Manuel Prieler wurde gar mit dem Wort "Hütte" zitiert, die seiner Meinung nach den Planungen für das neue Ortszentrum schlicht im Weg steht. "Unser Seelenheil hing nie an dem Zindlerhaus.

Es ist kein erhaltenswertes Gebäude", so Prieler. Dieses mangelnde Bewusstsein für die eigene Geschichte und deren Zeugnisse erschreckt mindestens ebenso wie der geplante Abriss. "Unterföhring reißt seine Geschichte ab", urteilt treffend der Ortschronist Heinrich Caesar Frey und der frühere SPD-Bürgermeister Franz Schwarz sekundiert: "Es gibt in Unterföhring nicht viele Häuser, die etwas zu erzählen haben." Gewiss: Das Bahnwärterhaus steht nicht unter Denkmalschutz und der Landkreis München verliert mit ihm keine Sehenswürdigkeit. Was aber verschwindet, ist wieder einmal ein Stück Identität und Heimat in einem Raum, der davon nicht mehr allzu viel zu bieten hat. Dabei wäre dies so wichtig angesichts der tristen Uniformität von Neubausiedlungen und Gewerbegebieten. Dass es auch anders geht, sich Historie bewahren und mit Moderne verbinden lässt, zeigt Haar mit dem Jugendstilpark, der auf dem Gelände des ehemaligen Bezirkskrankenhauses entsteht. In Unterföhring dagegen ist der Zug abgefahren.

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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