Kreis und quer:Vandalen und Menschenfresser

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Der Volksstamm aus dem 5. Jahrhundert hat seinen schlechten Ruf vielleicht zu Unrecht. Auch andere hantierten mit Beilen und waren sicher nicht nur friedlich

Von Bernhard Lohr

Letztens schauten wieder einmal die Vandalen im südlichen Landkreis vorbei. Sie zogen durch Unterhaching und hinterließen Spuren, die sie als Tätergruppe entlarvte. Sie traten Türen ein, zertrümmerten eine Schaufensterscheibe und brachen da und dort ein. Weil sie sich also wie Deppen aufführten, die aus blinder Zerstörungswut alles kurz und klein schlugen, werden sie mit dem Volksstamm in Verbindung gebracht, der im Jahr 455 unter ihrem Anführer Geiserich die Stadt Rom verwüstete. Das werden die Vandalen seitdem nicht mehr los.

Dabei tut man diesen damit völlig unrecht. Sie raubten, brandschatzten und mordeten auch nicht mehr als alle anderen Völker in der unruhigen Zeit zum Ende des Römischen Reichs. Und womöglich waren die Vandalen-Häuptlinge sogar so gemütliche, freundlich winkende Kerle mit Bart und pfiffiger Mütze wie wir sie letztens in Garching haben herumlaufen sehen. Der Hype um den Ortsgründer Gowirich bot ja Gelegenheit, mal einen Menschen des 8. Jahrhunderts leibhaftig in seinem Wams zu erleben. Das Gewand dieser Zeit war nach Gräberfunden, viel Recherche und Fantasie einigermaßen zu rekonstruieren.

Aber was war nochmal 400 Jahre früher? Je weiter es zurück geht in der Geschichte, desto weiter kommt man ins Reich der Spekulation. Übrig geblieben ist nicht viel von den echten Vandalen, von denen womöglich ein Stammesverband tatsächlich um das Jahr 400 hier durchkam, als er von der Unteren Donau nach Gallien zog. Oder was weiß man von den Menschen, die sogar in den Jahrhunderten vor Christi Geburt zwischen dem heutigen Oberschleißheim und Sauerlach lebten? Wer war damals Bürgermeister, wo residierte der Landrat und wo saßen die Menschen gemütlich beisammen, als es noch keinen Ayinger-Bräu gab?

Da und dort siedelten Kelten, wie erhaltene Viereckschanzen zeigen. Bei einer archäologisch untersuchten Keltenschanze bei Holzhausen, Gemeinde Straßlach-Dingharting, entdeckten Archäologen eine erhöhte Phosphatkonzentration, was angeblich auf Menschenopfer hinweist. Über solche Opfer hatte der große Cäsar geschrieben und weil der römische Geschichtsschreiber Plinius Secundus berichtet, dass die Kelten ihre Opfer auch verspeisten, könnten im heutigen Straßlach-Dingharting sogar Menschenfresser gehaust haben.

Eine gruselige Vorstellung. Kein Wunder also, dass sich die beiden Männer, die im Hofoldinger Forst kürzlich ein bronzezeitliches Beil gefunden haben, immer auch mit einem gewissen Schauer an dieses Stück denken. Wer weiß, was das für ein Typ war, der damals das Beil bei sich trug. Und vor allem, was er mit diesem Stück, das gut und gerne auch als Waffe dienen konnte, angestellt hat. Eins ist jedenfalls sicher. Er war kein Vandale. Die kamen erst später.

© SZ vom 26.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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