Kreis und Quer:Unabhängigkeit für Siegertsbrunn!

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Alle wollen sie unabhängig werden, die Katalanen, die Schotten, die Korsen - wer weiß da schon, welche Pläne an den Stammtischen des Landkreises geschmiedet werden

Von Iris Hilberth

Das Licht in der Gaststube muss auf jeden Fall etwas dämmrig sein. Der Platz natürlich hinten im Eck, wo man nicht gleich so auffällt. Doch die Pläne werden immer konkreter, je häufiger die Separatisten zu ihrem Stammtisch beim Alten Wirt zusammenkommen. So kann es wirklich nicht weitergehen, sagt dann einer. Wir haben das lange genug mitgemacht, ergänzt der nächste. Und alle sind sich einig: Wir können auch ohne die anderen. Überhaupt: Was soll dieses Ungetüm von einem Gemeindenamen, mit dem wir den zweifelhaften Längen-Rekord in Deutschland halten? Doppelnamen sind was für SPD-Politikerinnen, aber nichts für unser schönes Dorf!

So könnte der Aufstand beginnen, wenn Siegertsbrunn eines Tages beschließt, wieder unabhängig von Höhenkirchen werden zu wollen. Denn wer nach Katalonien schaut, könnte sich sagen: Was die können, können wir schon lange. Zumal es in dem 1978 bei der Gemeindegebietsreform zusammengelegten Ortschaften bis heute zwei Feuerwehren, zwei Maibäume, zwei Burschenvereine und zwei Tennisvereine gibt. Noch ist aus dem Alten Wirt nichts nach außen gedrungen. Aber wer weiß: Separatisten sehen im Landkreis München schließlich nicht so aus wie General Grievous von Star Wars.

Abspaltungs-Ambitionen sind derzeit total in. Da muss man gar nicht die Nachrichten aus Spanien verfolgen, weder an Schottland denken noch sich an die Parolen auf den Häuserwänden von Korsika erinnern. Diese Woche läuft in den Kinos die Komödie "Austreten" an, die von Bayerns Unabhängigkeit handelt. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov aus diesem Sommer wünscht sich das jeder Dritte im Freistaat! Also wer weiß, welche Unabhängigkeitsfantasien in den Köpfen der Landkreisbewohner herumspuken?

Nehmen wir mal das Isartal: Warum sollen Pullach und Grünwald mit ihren sprudelnden Steuerquellen denn weiterhin arme Schlucker wie Taufkirchen und Aying durchfüttern? Im Norden könnte Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer ganz locker sein Unterföhring zur kreisfreien Stadt ausrufen. Geld ist ja genug da. Rein historisch gesehen, hätte Martinsried auch allen Grund, sich von Planegg loszusagen. Schließlich ist diese Zugehörigkeit allein der Großzügigkeit des bayerischen Herzogs Wilhelm III. geschuldet, der im Jahr 1425 die beiden Ortschaften inklusive Gräfelfing und Hadern zur "Vest Planegkh" erhob, um sie seinem unehelichen Sohn zu schenken. Richtig beleidigt sein könnten auch immer noch die Salmdorfer. Ihr Dorf ist heute nichts weiter mehr als ein Ortsteil von Haar. Bis 1924 war das genau anders herum. Man darf also gespannt sein, wo sich im Landkreis Widerstand regt.

Bis dahin müssen die Kinder aus Siegertsbrunn am Gymnasium ihrer Gemeinde Höhenkirchnerisch sprechen.

© SZ vom 07.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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