Kreis und Quer:Tropische Visionen

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Das Klima oder besser die Veränderungen des Klimas werden derzeit weltweit genau geprüft und diskutiert. Welche Folgen hat es, wenn in Bayern die Temperaturen um mehr als vier Grad ansteigen werden? Pullach hat seine Antwort schon gefunden

Von Konstantin Kaip

Die Nachrichten, die man derzeit liest, können einen ganz schön ins Schwitzen bringen: Kaum ist der wärmste November seit 1761 zu Ende, der uns laut in Boulevardblättern zitierten Diplom-Meteorologen 2016 eine gewaltige Wespenplage bescheren wird, legt die bayerische Umweltministerin eine Studie vor, die sich mit den dramatischen Folgen des Klimawandels im Freistaat befasst, dem noch in diesem Jahrhundert ein Temperaturanstieg von viereinhalb Grad Celsius droht. Und während beim Klimagipfel in Paris die Köpfe der Experten aus China und den USA beim Debattieren über Decarbonisierung und Begrenzung der Erderwärmung rauchen wie der Schornstein des Kohlekraftwerks in Unterföhring in der Dezembersonne, zögert man bei der Entscheidung über den Kauf der neuen Daunenjacke. Vielleicht tut's die alte ja doch noch die paar Jahre, bis das Mittelmeerklima endgültig in Bayern angekommen ist.

Klima ist nun einmal ein globales Phänomen. Ganz fair ist das nicht, wo doch im Landkreis einige Kommunen wirklich hart daran arbeiten, dass ihr ökologischer Fußabdruck kleiner wird. Zum Beispiel Pullach, das diese Woche zehn Jahre Fernwärmeversorgung durch das kommunale Geothermieunternehmen IEP gefeiert hat. Am Dienstag, als die Regierungsvertreter der Industrienationen in Paris zum Auftakt ihres Kongresses gemeinsam viel heiße Luft produzierten, haben die Pullacher im großen Saal des Bürgerhauses neben dem Café Treibhaus Gas gegeben und sich zurecht für ihre mutige Entscheidung gefeiert, das Risiko einer Versorgung mit erneuerbaren Energien selbst zu tragen. Zu einer Zeit, als es noch kaum Referenzen gab, ob und wie so etwas überhaupt funktioniert. Zehn Jahre später geben 1500 versorgte Haushalte, Gewerbe und öffentliche Gebäude und 35 Kilometer Leitungen dem Pioniergeist Recht - mit 10 000 Tonnen eingespartem Co₂-Ausstoß pro Jahr. Die Zwietracht ist überwunden, das gemeinsame Ziel im Gemeinderat einstimmig beschlossen: Vollversorgung bis 2021. Nächsten Dienstag entscheidet das Gericht über die Klage gegen die Bayernwerke, die Pullach die Stromversorgung mit Erdwärme verweigern wollen. Global denken und lokal handeln, das funktioniert im Isartal, auch weil es das Molassebecken mit Idealbedingungen zulässt.

Nur was bringt der Ausbau des Erdwärmenetzes, wenn es laut Prognosen immer heißer wird in Bayern? Im Szenario eines tropischen Pullachs treibt einem der Gedanke an Thermalwasser im Wohnzimmer noch mehr Schweißperlen auf die Stirn. Die Antwort aber hat IEP-Geschäftsführer Helmut Mangold schon gegeben, mit der Ehrung eines Neukunden: Die Dr. Jens Erhardt Kapital AG an der Pullacher Straße nutzt als erster die Geothermie zur Kältegewinnung. "Ein große Chance für die Zukunft", sagt Mangold - der Pionier mit dem richtigen Riecher.

© SZ vom 05.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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