Kreis und quer:Schluss mit dem Meckern

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Wenn Menschen und Tiere aufeinandertreffen, ziehen Letztere meist den Kürzeren. Wenigstens die Ziege "Hui Buh" darf nach dieser Woche wieder hoffen

Kolumne von Michael Morosow

Nach mir die Sintflut, dachte sich der gute Noah, als er sich mit Kind und Kegel sowie mit allen Landtieren und Vögeln auf seiner Arche vom Acker machte. Die Fauna, die zu biblischen Zeiten kreuchte und fleuchte, ist leider nicht mehr komplett, hinter unzähligen Arten steht heute der Vermerk "ausgestorben", andere mutierten am Schöpfungsgedanken vorbei in arg komische Richtungen. Da wäre zum Beispiel jenes vierbeinige Wesen, das unlängst in Freising unter die Räder eines Taxis geriet. Der stocknüchterne Fahrer beschrieb das Unfallopfer als "großen Hamster mit sehr großen Zähnen", die Polizei amüsierte sich darüber, dass der Mann einen Hamster nicht von einem Wildschwein unterscheiden kann, worauf der Taxifahrer das von ihm geschossene, leider etwas verschwommene Foto vom "Hamster" genau ansah und sich danach sicher war, einen Biber überrollt zu haben. In Wirklichkeit wird es ein Wolpertinger gewesen sein, dessen Existenz nach wie vor von notorischen Zweiflern geleugnet wird.

Aus der Art, wenn auch in ganz anderer Weise, schlägt ebenso die Zwergziege "Hui Buh", deren Fall in dieser Woche vor dem Verwaltungsgericht München verhandelt wurde. "Hui Buh" wuchs nicht in einer Herde auf, wie es sich für eine Ziege gehört. Stattdessen wurde sie in Unterföhring von ihren Haltern als Familienmitglied aufgenommen, und weil sie von der Mutter verstoßen wurde, mit dem Fläschchen großgezogen. Während es über diese tierische Fürsorge nichts zu beklagen gibt, stießen sich Amtstierärztin und Richter unter anderem an der Tatsache, dass "Hui Buh" sehr stark auf Menschen fixiert sei, in seiner Wohnstätte nicht nur keinen Platz zum Herumtollen und Klettern hatte, sondern mitunter auch im Bett schlafen durfte. Ein Herdentier brauche Artgenossen um sich herum, hieß es im Gerichtssaal, und so bestätigte der Richter die Wegnahme der Zwergziege, die sich seit Monaten in einem Gnadenhof in Germering die Hufe vertritt. Wahrscheinlich wisse "Hui Buh" bis heute nicht wirklich, dass er eine Ziege ist, sagte die Amtstierärztin.

So ehrenwert das Engagement der Mitarbeiter im Gnadenhof auch ist, einen ausgewiesenen Ziegenversteher werden sie nicht in ihren Reihen haben. Deshalb ein Vorschlag zur seelischen Errettung von "Hui Buh": Im Landschaftspark Hachinger Tal weiden gerade 200 Schafe, behütet von Hirtenhunden und begleitet von zehn Ziegen. Während die Schafe am liebsten Klee und feines Gras fressen, sind Ziegen weniger gschleckert und lassen sich auch härtere Pflanzen und Büsche schmecken, ganz im Sinne der Gemeinde, die sich über die kostenlose "Mäh-Arbeit" freut. Wenn also Flaschenkind "Hui Buh" das Ziegen-Einmaleins erlernen kann, dann hier im Landschaftspark. Und das Beste daran: Die Schäferfamilie verdient ihr Geld mit Lammfleisch, "Hui Buh" stünde nicht mit einem Bein im Schlachthof. Dagegen gäbe es nun wirklich nichts zu meckern.

© SZ vom 21.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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