Kreis und Quer:Schleicht's eich!

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Weil der Mensch in der Pandemie ständig in den Wald rennt und das Isartal platt macht, kommen die tierischen Bewohner dort nicht mehr zu Ruhe

Kolumne von Iris Hilberth

Die Ringelnatter liebt normalerweise sonnige Plätzchen. Genauso wie die Kreuzotter und die Zauneidechse. An Himmelfahrt aber werden sie alle miteinander froh gewesen sein, dass das Wetter so grottenschlecht war und die meisten Vatertagsausflüge ausfielen. Da hatten sie wenigsten kurz mal ihre Ruhe. Die haben sie schon lange nicht mehr. An Wochenenden können sie sich, wenn die Sonne rauskommt, nur wegducken, auf den Abend warten und hoffen, dass die Ausgangssperre noch gilt.

Denn was macht der Mensch in der Pandemie, wenn er nicht wegfahren kann, nicht ins Wirtshaus darf und all seine sonstigen Freizeitvergnügungsstätten geschlossen haben? Er geht in den Wald, trampelt über Heideflächen und macht das Isartal platt. Die Otter, die Spitzmaus und die Feldlerche, die gehofft hatten, dieses Frühjahr wird für sie besser als das vorherige, werden arg genervt sein und sich besser mal davonschleichen, bevor sie unter die Fahrradreifen kommen. Denn alle in ihrem Revier nicht so gern gesehenen Gäste sind wieder da: die vielen Mountainbiker und die Horden an Spaziergängern, die Kinder, die Kaulquappen aus den Tümpeln fischen oder Stöcke und Steine in die "Kinderzimmer" der Frösche werfen, und die Hunde, die über Brutplätze tollen.

Die Umweltschutzverbände schlagen daher Alarm und rufen zu einem achtsamen Umgang mit der Natur auf. Es tritt keine Ruhe mehr ein, haben sie festgestellt. Bemühungen der Bayerischen Staatsforsten, Schutzzonen für Fauna und Flora zu schaffen, würden von den Menschen ignoriert. Die Naturschützer verstehen den Wunsch nach Erholung im Grünen. Aber der dürfe nicht zur Zerstörung von Biotopen und zur Reduzierung der Artenvielfalt führen, mahnen sie.

Dabei ist das Interesse an Tieren in der Pandemie insgesamt eher gestiegen. Nicht nur Hund und Katz sind zu den neuen Freunden im langweiligen Lockdown geworden. Auch jeder weiß mittlerweile, wie ein Alpaka ausschaut und dass es 1,50 Meter lang ist. Dies entspricht nämlich genau dem einzuhaltenden Corona-Abstand. Alpakas wurden von Kindern zig mal gezeichnet, um das richtige Maß zu verinnerlichen. Daher haben Passanten die südamerikanischen, wuscheligen Kamele mit den lustigen Frisuren sofort als solche identifiziert, als diese am Freitag ausbüxten und am Schliersee auf der Seepromenade spazieren gingen. Was sollen sie auch sonst tun in der Pandemie?

Die meisten haben sich trotzdem eher einen Hund als ein Alpaka zugelegt. Nach Angaben des Verbands für das deutsche Hundewesen (VDH) wurden im vergangenen Jahr in Deutschland etwa 20 Prozent mehr Hunde gekauft als in den Jahren davor. 10,7 Millionen sind es laut der Industrieverband Heimtierbedarf (IVH) und des Zentralverbands Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands (ZFF) nun insgesamt. Dazu kommen 17,5 Millionen Katzen. Für die Spitzmaus und die Lerche sind auch das keine guten Nachrichten. Alpakas wären ihnen sicher lieber.

© SZ vom 15.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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