Kreis und quer:Schleicht's Eich!

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Von wegen: In der ersten Augustwoche ist es leer, weil die allermeisten im Urlaub sind - es ist voller denn je, und zwar überall

Von Stefan Galler

In den letzten Wochen vor den Ferien geht es los mit dem Herunterzählen der Tage. Manche ritzen sogar Kerben in die Küchen-Eckbank, um sich rituell dem Ziel der Träume zu nähern. Und dann ist es soweit: Endlich Ferien!

Und damit endlich weniger: Weniger unausgeschlafen in die Arbeit gehen, weil nicht um 6.30 Uhr der Wecker klingelt, damit die Kinder pünktlich in die Schule kommen. Weniger Stau auf den Straßen, weil ja alle mit dem letzten Schulgong in den Urlaub aufbrechen, weshalb sich bereits freitags um 12 Uhr eine Blechlawine auf der A 8 bildet, die von Taufkirchen bis zum Inntaldreieck reicht.

Weniger Stress beim Einkaufen, weniger lange Warteschlangen an der Autowaschanlage, weniger beengt im Freibad herumsitzen, wo sich an heißen Schultagen in den finalen Wochen vor dem Zeugnis die Handtücher wie ein überdimensionales Puzzle aneinander gruppieren.

Doch seit einer Woche dürfte den meisten Daheimgebliebenen eine bittere Erkenntnis gekommen sein: Sie sind auch weiterhin in der Überzahl! Es scheint so gut wie keiner verreist zu sein. Auf den Straßen im Landkreis nimmt das Chaos asiatische Ausmaße an: Man fährt praktisch von einem Stau in den nächsten, weil nicht nur weniger Leute weg sind als man gewagt hatte zu hoffen. Diejenigen, die erst später oder gar nicht in den sonnigen Süden abhauen, scheinen auch noch bevorzugt vom ÖPNV aufs Auto umgestiegen zu sein - weil sie ja ebenfalls davon ausgegangen sind, dass auf den Straßen jetzt freie Fahrt angesagt ist.

Spätestens wenn man dann auf der Linksabbiegerspur in Ismaning an der B 471 in Richtung Garching für eine Ampelüberquerung acht Schalten benötigt, wünscht man sich die Insassen aller Vehikel um einen herum auf den Mond - zumindest aber auf eine kanarische Ferieninsel. Und dann noch die Baustellen! Die Planer haben es vermutlich gut gemeint, alle Straßenausbesserungen - etwa am Grünwalder Weg in Unterhaching -, die Sanierung von Trambahnlinien wie aktuell in Grünwald, den Bau zusätzlicher Spuren und abgesenkter Gehsteige gerade in die ersten Augustwochen zu terminieren. Aber gut gemeint ist nun einmal das Gegenteil von: gut.

So entpuppt sich manches Klischee vom leer gefegten Landkreis in den ersten Ferienwochen als ernüchternder Trugschluss: Die Einkaufszentren sind rammelvoll, die Bäder und Seen sowieso, man muss in den allerletzten Spelunken einen Tisch reservieren wie zu Zeiten, in denen die Schule läuft. Beim Radelausflug von Oberhaching nach Straßlach sollte man Obacht geben, dass man nicht von gruppenweise herannahenden Tour-de-France-Imitatoren von der flächendeckend besetzten Bahn gecheckt wird.

Lediglich in der Arztpraxis merkt man, dass Urlaubszeit ist: Das Wartezimmer ist verwaist. Aber das liegt wohl daran, dass der Herr Doktor auch nicht da ist. Einer der wenigen, die am Freitag in die Karibik abgehauen sind. So eine weite Reise lohnt sich ja auch nur, wenn sie sechs Wochen dauert.

Bleibt ein klitzekleiner Trost: Das mit dem späteren Aufstehen und nicht immer so müde Sein klappt tatsächlich ganz gut. Und außerdem fahren wir ja auch noch in Urlaub, gegen Ende der Ferien. Wie wahrscheinlich alle anderen.

© SZ vom 06.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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