Kreis und quer:Schlagbäume in den Köpfen

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Will das interkommunale Verkehrskonzept Erfolg haben, müssen zunächst mal Ressentiments zwischen den Gemeinden verschwinden

Von Bernhard Lohr

Man stelle sich mal vor, im Alten Wirt in Höhenkirchen kommt eine Handvoll Entschlossener zusammen. In aufgeheizter Stimmung ruft einer auf, eine Partei zu gründen. Man müsse wieder Kontrolle erlangen über die eigenen Verhältnisse. Die Probleme würden von außen reingetragen. Der Durchgangsverkehr nehme überhand. Eine Forderung nach einer Obergrenze für Autos auf der Durchgangsstraße kommt auf den Tisch. Schlagbaum, Blockabfertigung - das solle alles rein ins Programm der Vereinigten Höhenkirchen-Siegertsbrunn Unabhängigkeits-Partei (VHSUP).

Das ist eine verrückte Idee. Ungefähr so verrückt wie die Vorstellung der Ukip und der Briten, aus Europa auszuscheren, weil man alleine besser klarkomme. Tatsächlich hat ein Putzbrunner CSU-Gemeinderat einen interkommunalen Arbeitskreis angestoßen, damit Höhenkirchen-Siegertsbrunn, Hohenbrunn, Grasbrunn und Putzbrunn ihre Verkehrsprobleme gemeinsam lösen. Das sollte doch machbar sein. Anders als die Staatschefs der Europäischen Union, die oft keine Gesprächsebene mehr zu finden scheinen, sprechen die Bürgermeister dieselbe Sprache. Sie kennen sich ewig und entstammen sogar demselben Kulturkreis.

Doch noch bevor das erste Treffen angesetzt ist, gibt es Störfeuer. An einen Erfolg mag keiner recht glauben. Höhenkirchen-Siegertsbrunns Bürgermeisterin Ursula Mayer (CSU) sagt, sie wolle in den Arbeitskreis, damit die anderen nichts gegen die eigenen Interessen beschließen. Und die SPD gibt zu bedenken, dass man sich mit Hohenbrunn noch nie habe verständigen können. Das Misstrauen gegenüber den Nachbarn ist groß. Das erinnert daran, dass bis heute die Höhenkirchner kaum den Siegertsbrunnern über den Weg trauen. Der Verlust der Unabhängigkeit im Zuge der Gebietsreform des Jahres 1978 haben viele nicht verwunden. Als Paradebeispiel dafür kann die Gemeinde Hilgertshausen-Tandern im Landkreis Dachau gelten. Erst vor zwei Wochen bauten die Tanderner die Protestplakate ab, die sie gegen das Zusammengehen mit Hilgertshausen an der Dorfstraße aufgebaut hatten. Ein Akt der Versöhnung nach 38 Jahren.

Wenn es schneller gehen soll, hilft es, sich Europa mal zur Abwechslung als Vorbild zu nehmen. Auch wenn derzeit Euro-Kritiker und -Verkünder von einfachen Parolen viel Aufmerksamkeit erhalten. Das überlagert doch nur, dass in dem auf mittlerweile 28 Länder angewachsenen Europa nur durch beharrliches Verhandeln und die stete Suche nach Kompromissen viel erreicht wurde. Im Interkommunalen Arbeitskreis sitzen nur vier Bürgermeister. Man sollte sie in Klausur schicken. Und sie sollten erst dann vor die Öffentlichkeit treten dürfen, wenn sie sich geeinigt haben. Gerne nach einem Verhandlungsmarathon, mit Ringen unter den Augen. Die Schlagbäume in den Köpfen müssen verschwinden.

© SZ vom 03.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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