Kreis und quer:Schadenfreude an den Schwellentagen

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Der Spätherbst entfaltet eher eine diffuse Stimmung, selbst wenn sich der Nebel nicht so oft blicken lässt, wie es um diese Jahreszeit angemessen wäre

Kolumne von Udo Watter

Das menschliche Glück mag im Schöpfungsplan nicht vorgesehen sein, wie Sigmund Freud behauptet, aber zumindest säumen das Leben doch auch diese schönen, kurzen Momente, in denen das Herz kleine Saltos schlägt. Selbst im Spätherbst, der ja dafür prädestiniert ist, Depressionen zu befeuern oder wenigstens eine bescheidene Tristesse hervorzurufen.

Wer etwa beim Spaziergang beobachtet, wie ein anderer Passant auf einem heimtückisch unter herabgefallenem Laub verborgenen Hundekot ausrutscht, den dürfte das behagliche Bewusstsein durchströmen, er sei an diesem Tag nicht umsonst aufgestanden. In diesem Zusammenhang stellt sich freilich die generelle Frage, ob Vorfreude oder doch die Schadenfreude die schönste aller Freuden ist. Wer nicht das Glück hat, Fan des TSV 1860 München zu sein, wird sie nicht so einfach beantworten können - eine Schlappe der "roten Klobürsten" vom FC Bayern dürfte nach wie vor bei vielen Löwenanhängern mehr Glückshormone frei setzen als die Aussicht, im Grünwalder Stadion den FC Unterföhring oder den VfR Garching vom Platz zu fegen.

Ansonsten hat die Vorfreude den Vorteil, dass sie positive Energien frei setzt und gewöhnlich länger dauert als die Phase der maliziösen Entzückung ob eines fremden Missgeschicks. Der Spätherbst hat hier eine merkwürdige Zwischenstellung. Er ist Vor-Vorweihnachtszeit, oder um im Sportjargon zu bleiben: Es sind momentan noch Pre-Play-offs, bevor es viermal in die K.o.-Runde geht, bis das Jesuskind im Kripplein ankommt.

Die Fähigkeit, sich auf die Vorfreude vorzufreuen, wäre da aber vielleicht doch zu viel verlangt. Die Schwellentage des Spätherbstes entfalten eher eine diffuse Stimmung, selbst wenn sich der Nebel nicht so oft blicken lässt, wie es um diese Jahreszeit angemessen wäre. Wirkliches Glück, falls es dieses entgegen der Annahme des eingangs erwähnten Tiefenpsychologen gäbe, lässt sich, pauschal betrachtet, vielleicht eh nur in zwei Varianten finden: Da ist zum einen die Lust auf Neues, auf Veränderung, auf inspirierende Horizonterweiterungen, welche die Sinne erfrischen. Zum anderen ist es das Eintauchen in Vertrautes, das Geborgenheit Vermittelnde, das uns in einen wohligen Zustand der Zufriedenheit versetzt. Wiederholungen bieten Sicherheit und Orientierung. Philosophen haben die Rolle der Gewohnheit in der Bildungsgeschichte der Tugenden betont. Besucher der Gemeinderatsitzungen oder Bürgerversammlungen im Landkreis, die mit den alten, immer gleichen Themen - Verkehr, fehlende Betreuungsplätze und Wohnungsmangel - konfrontiert werden - dürften indes Cäsar folgen. Der erteilt in "Asterix und der Arvernerschild" dem erneuten Eroberungsversuch von Gergovia durch seine Legionäre eine Absage mit dem Satz: "Bis repetita non placent - Wiederholungen gefallen nicht."

© SZ vom 25.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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