Kreis und quer:Push-News mit Buchsbaumzünsler

Lesezeit: 2 min

Der Plagegeist schafft es in die Schlagzeilen. Für die ganz großen Nachrichtenredaktionen reicht es aber noch nicht

Kolumne Von Martin Mühlfenzl

Am Montag ist es vorbei mit der Ruhe, mit der Entschleunigung, die ja in den vergangenen zwei Wochen den ganzen Landkreis erfasst hat. In den Ferien kommen schließlich nicht nur diejenigen runter, die irgendwo an den Stränden des Südens in der Sonne rumlümmeln, sondern auch die Daheimgebliebenen, die morgens ihren Augen nicht so richtig trauen wollen angesichts leerer Straßen und verwaister Büros. Alles läuft etwas langsamer, gelassener. Wären da nicht diese kleinen, elektronischen Kästen, die von unser aller Leben irgendwie Besitz ergriffen haben.

Push-Nachrichten heißen die Meldungen, die uns gewissermaßen im Minutentakt aus der Ruhe herauspiepsen oder wahlweise vibrieren. Brandheiße News, die von den Redaktionen des Landes sekundenschnell auf Millionen Smartphones geschickt werden, wenn die Nutzer diesen Dienst ihrer bevorzugten Nachrichtenseite aktiviert haben. Dann ist es vorbei mit der Ruhe und die Verrücktheiten dieser Welt rücken in den Fokus: Regierungsbildung in Italien gescheitert! Erste Dieselfahrverbote in Hamburg! Trump verhängt Strafzölle auf Stahl und Aluminium aus der EU! Merkel in China! Merkel in Portugal! Russischer Journalist ermordet! Doch nicht! Das Smartphone glüht und Berlin, Brüssel, Washington, Rom, Kiew, Peking und Moskau laufen heiß. Mitten in den Ferien. Wahnsinn! Da springt der Puls nach oben.

Wer kennt eigentlich den Buchsbaumzünsler? Nie gehört? Bisher war der auch noch keiner Nachrichtenredaktion eine Push-Nachricht wert. Bevor er sich zu einem Falter mausert, ist er als Raupe so um die fünf Zentimeter lang und hätte dank seiner Farbgebung als Wappentier der Jamaika-Koalition getaugt, wäre die denn zustande gekommen. Der Kleinschmetterling kommt aus Ostasien und lebt noch nicht lange hier, eigentlich erst seit Beginn des neuen Jahrtausends. Er sieht ganz niedlich aus, richtet aber an den Buchsbäumen im Landkreis enorme Schäden an. Warum das an dieser Stelle erzählt wird? Weil das viele Menschen - nicht nur Gärtner - in diesen Tagen beschäftigt hat. Fernab der großen, hysterischen Nachrichtenlage. So schaffte es der Schädling in die lokalen Schlagzeilen und erlangte kurzfristige Berühmtheit.

Vielleicht hat der Buchsbaumzünsler auch nur sehr clever eine Lücke ausgenutzt, die ja traditionell in allen Ferien auftaucht. Schließlich schaltet der politische Betrieb im Landkreis und seinen 29 Städten und Gemeinden dann auf Stand-by. Diese Lücke füllen dann andere, nicht minder interessante Themen. Zum Beispiel, dass Garching eine echte Festival-Hochburg ist, in der es sich schon an diesem Samstag beim "Back to the Woods" abfeiern lässt. Oder der Zusammenschluss der Handballer aus Unterhaching und Taufkirchen, die künftig ganz harmonisch gemeinsame Sache machen. Getreu dem Motto: Handball first! Also, einfach mal das Smartphone zur Seite legen. Nicht nur in den Ferien. Auch am Montag und darüber hinaus.

© SZ vom 02.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: