Kreis und quer:Potenzial zum Schmähreim

Lesezeit: 2 min

Um die Streitkultur ist es in Zeiten von Internetgekeife und Pöbelei nicht gut bestellt. Dabei bietet gerade die bayerische Politik hier ein Feld für feine Klingen, das mehr Aufmerksamkeit verdient hätte.

Kolumne Von Udo Watter

Von Zeit zu Zeit gibt es Wörter, die eine erstaunliche publizistische Karriere hinlegen. Eine Edelfeder kann es sich etwa momentan kaum leisten, einen Artikel ohne den Begriff "Narrativ" zu verfassen oder das Wort "Kultur" raffiniert zu kombinieren: Willkommenskultur, Kultur des Miteinanders, Kultur des Scheiterns, Kultur des Teilens, Kultur der Achtsamkeit, Kultur des Lernens, oder die gute alte Streitkultur.

Mit letzterer geht es ja bekanntlich seit Jahren den Bach runter. Schuld ist vor allem das Internet, wo die Leute keifen und haten, als ob sie ihr Gehirn nur aus Versehen bekommen hätten. Dabei ist ja gerade die Krone der Streitkultur - die Schimpfkultur - in ihrer elaborierten Variante ein Zeichen zivilisatorischer Erlesenheit, besonders in Bayern oder Österreich. Eine Sonderrolle gebührt dabei der politischen Schmähung in Reimform.

In Ottobrunn musste sich Bayerns Innenminister Joachim Hermann (CSU) bei einem Wahlkampfauftritt in dieser Woche "Hermann, Hermann, keiner kotzt mich mehr an" von einem jugendlichen Protestler anhören. Seinem Parteifreund, Ministerpräsident Markus Söder, war bei einem Auftritt in Baierbrunn der Anblick eines Banners mit den Worten "Geht's noch blöder, Söder" dank polizeilichen Eingreifens erspart geblieben. Ob er später in Kirchheim wahrgenommen hatte, dass die örtliche SPD zum stillen Protest gegen ihn in Form roter Kleidung aufgerufen hatte, ist fraglich.

Ach ja, die SPD: Bei Fraktionschef Markus Rinderspachers Besuch in Putzbrunn gab es keine Protestaktion. Der Spruch "Viel Feind, viel Ehr" mag ja einst dem Dummstolz preußischer Generäle entsprungen sein, doch ein bisschen mehr Wahrnehmung durch den Gegner würde man den Sozis wünschen. Freilich fällt es aber auch schwer, auf Spitzenkandidatin Natascha Kohnen aus Neubiberg böse Reime zu verfassen. "Die Kohnen, die Kohnen, wird nie in der Staatskanzlei wohnen." Hm. Der SPD-Grandseigneur und Alterspräsident des Landtags - "Peter Paul Gantzer, der oide Strawanzer" - tritt ohnehin nicht mehr an. Annette Ganssmüller-Maluche? Nach neun Namenssilben in Folge hat man eh keine Luft mehr zum Spottgesang. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag aus Unterhaching hat hingegen nicht nur die Haare schön, sondern eignet sich auch für rhythmische Spötterei: "Hoppe-hopp-Hofreiter, wenn er fällt, dann schreit er."

Hat das CSU-Personal im Landkreis generell besseres Schmähreim-Potenzial? Sozialministerin Kerstin "Mensch Meier" Schreyer? Ihrem Parteifreund aus Haar könnte man zurufen: "Husch husch, husch, Ernst in den (Weiden-)busch". Dass sich auf Landrat Göbel quasi "Dödel" reimt, soll hier erwähnt, aber wegen Banalität gleich wieder vergessen werden. Im Slang des Ruhrgebiets bedeutet "göbeln" übrigens "kotzen", was zu ganz neuen Varianten inspirieren könnte: "Hermann, Hermann, keiner göbelt mich mehr an."

© SZ vom 11.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: