Kreis und quer:Politik mit Deckmäntelchen

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Bürgermeister reden so gerne von Plätzen mit Aufenthaltsqualität. Aber wehe, wenn sich dort die Falschen wohl fühlen

Von Wolfgang Krause

Manche Dinge haben sich im vergangen halben Jahr so schnell geändert, dass einem schwindlig werden könnte. Erinnert sich noch jemand an das Gesichtsverhüllungsverbot, das die damalige türkis-blaue Rechtsregierung 2017 in Österreich eingeführt hat? Es hieß im Volksmund "Burkaverbot" und zielte eindeutig auf Muslime ab. Aber es war offiziell so neutral formuliert, dass niemand in der Öffentlichkeit sein Gesicht verbergen durfte - mit dem Ergebnis, dass eine Studentin 50 Euro Strafe zahlen sollte, weil sie in Wien mit einem Schal vor dem Mund erwischt worden war. Dann kamen die Corona-Partys in Ischgl, und die etwas weniger rechte, neue türkis-grüne Regierung erließ als eine der ersten in Europa eine Maskenpflicht.

Manche Dinge allerdings ändern sich nie. Dazu gehört, dass Städteplaner zwar ständig Plätze mit "Aufenthaltsqualität" schaffen sollen, die "zum Verweilen einladen". Wenn sich aber tatsächlich Leute auf den eigens dafür geschaffenen Bänken oder Stufen niederlassen, ist es den Auftraggebern in den Rathäusern auch nicht recht - vor allem wenn es junge Leute sind, die das abends tun. Klagen über feiernde Jugendliche, die laut sind und Dreck hinterlassen, gab es schon immer. Bisher blieb den Kommunalpolitikern allerdings zum Glück wenig mehr, als Sozialpädagogen und ab und zu die Polizei vorbeizuschicken. Dank des Ausnahmezustands der Pandemie steht ihnen nun ein ganz neues Arsenal an Restriktionen zur Verfügung, um für Ordnung zu sorgen. Und das nützen einige schamlos aus.

Ein besonders dreistes Beispiel dafür lieferte jüngst der parteifreie Straßlacher Bürgermeister Hans Sienerth ab. Er wollte Jugendliche vom Platz vor dem Bürgerhaus vertreiben, indem er dort ein Alkoholverbot erlässt. Dass solche Alkoholverbote eigentlich nur aus Gründen des Infektionsschutzes auf besonders belebten Plätzen vorgesehen sind - wozu das eher öde Areal in Straßlach definitiv nicht gehört - war ihm egal.

Wichtig war dem Bürgermeister offenbar nur, dass das Verbot ausschließlich auf die Jugendlichen zugeschnitten wird. Sich selbst und den Gemeinderäten nämlich wollte er das Recht auf ein Feierabendbier im Freien nach Sitzungen im Bürgerhaus nicht nehmen lassen. Dafür hatte er in den Entwurf für die Verordnung einen eigenen Paragrafen mit Ausnahmen aufnehmen lassen. Der Gemeinderat diskutierte sogar noch über weitere Extrawürste, zum Beispiel für Mitglieder des Sportvereins. Am Ende aber lehnte er die Verordnung, die ein klarer Missbrauch der Corona-Regeln gewesen wäre, zum Leidwesen Sienerths ganz ab.

Die Straßlacher Jugendlichen dürfen also - zumindest bis zum Sonntag und in kleinen Gruppen - weiter vor dem Bürgerhaus feiern. Das österreichische Gesichtsverhüllungsverbot gilt dagegen trotz Maskenpflicht weiter. Es gibt eben Ausnahmen, zum Beispiel für den Gesundheitsschutz und bei Kälte - damit es ja die richtigen trifft.

© SZ vom 31.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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