Kreis und quer:Paradiesvogel und Hoffnungsträger

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Toni Hofreiter ist für die Grünen zwischen Aying und Unterschleißheim das, was Martin Schulz für die SPD ist: authentisch

Von Martin Mühlfenzl

Eine Zeitung aus der Oberpfalz hat ihn unlängst als Paradiesvogel bezeichnet. Er selber würde sicher sagen: "Na, eher ganz normal." Nur dort, wo er aufgewachsen ist, glauben sie ja selbst ein wenig daran, im Paradies zu leben. Also zumindest in der Vorstufe desselbigen. Und wenn sie doch leichte Zweifel plagen, weil etwa böse Münchner nach ihrem Kies gieren und stattdessen Schutt in der schönen voralpenländischen Heimat abladen wollen, dann schütteln sie sich kurz, blasen sich demonstrativ auf und lassen sich nach der Verteidigung des Paradieses wieder zufrieden fallen. Oft mit Erfolg. Sein Heimatort Sauerlach und die idyllische Umgebung haben den Hofreiter Toni sicher auch deshalb geprägt. Er kann das ja: sich aufplustern, mit markigen Worten und dem immer hörbaren kräftigen, bayerischen Idiom - selbst wenn er preißelt. Also, es versucht.

In einer Welt, die scheinbar aus den Fugen gerät, ist es gut, einen wie den Toni zu haben. In der politischen Landschaft, die derzeit ebenfalls ein Erdbeben nach dem anderen erlebt, allemal. Ein Fels in der Brandung, aufrecht und authentisch. Einer, der sich nicht verbiegen lässt. Der mit seiner langen Mähne unter all den Anzug- und Schlipsträgern im Bundestag einem unerschrockenen Revoluzzer gleich herausragt. Klar, den mag man, und so sehen ihn seine Anhänger im Landkreis gerne. Nur blöd, dass die da oben - also nicht elitär, sondern geografisch gemeint - das ein wenig anders betrachten. Bei der Urwahl des grünen Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl haben sich die Parteimitglieder lieber für den biederen Umweltminister Robert Habeck aus Kiel und den schwäbelnden Parteivorsitzenden Cem Özdemir entschieden - der Toni kam abgeschlagen auf Platz drei. Hat auch Vorteile: Der kann jetzt in aller Ruhe auf Platz zwei der bayerischen Landesliste mitansehen, wie Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt den Spagat zwischen Angela Merkel und Martin Schulz hinbekommen werden.

Letzterer ist für die SPD derzeit das, was Hofreiter für die Grünen zwischen Unterschleißheim und Aying schon immer ist: der beliebteste, authentischste, sympathischste, bodenständigste und zugänglichste Politiker, den sich eine Partei nur wünschen kann. Eine Art roter Hofreiter - im Maßanzug und mit internationalem Flair des Europaparlaments. Mit ihrem Hoffnungsträger Schulz erhofft sich die SPD nicht weniger als die Rückkehr ins Paradies, das viele ja schon in der Nähe der 30-Prozent-Marke ausmachen.

Wie schwer es allerdings sein wird, die Euphorie bis in den Herbst hinein zu halten, weiß Anton Hofreiter. Beflügelt von der Unterstützung seiner eigenen Basis, hatte sich der Sauerlacher Hoffnungen auf die Spitzenkandidatur gemacht. Das Ende seiner Ambitionen aber muss das noch lange nicht bedeuten. Vielleicht treffen sich Hofreiter und Martin Schulz sehr bald. Vielleicht sogar am Kabinettstisch.

© SZ vom 28.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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