Kreis und quer:Öha, wie ist das schön hier

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Das Betonen der eigenen Großartigkeit verrät so manches, aber nicht unbedingt Stilbewusstsein

Kolumne von Udo Watter

Der oft zitierte Satz Ludwig Ganghofers "Wen Gott liebt, den lässt er fallen in dies Land" ist eigentlich eine Hommage an das Berchtesgadener Land. Das Gefühl himmlisch-irdischen Auserwähltseins dürfte freilich auch vielen anderen Bewohnern des Freistaates nicht fremd sein: Da leben, wo andere Urlaub machen. Jawoll! Die Zug-spitz' und der Wendelstein, wo könnt' es sonst noch schöner sein? Mia san mia. Premiumgefühle all over the Freistaat.

Die Krone der weißblauen Schöpfung ist selbstverständlich der Oberbayer, der besonders verwöhnt wurde bei der Verteilung landschaftlicher (und wirtschaftlicher) Juwelen. Erst kürzlich schwärmten Ministerpräsident Markus Söder und der Haarer CSU-Landtagsabgeordnete Ernst Weidenbusch im Keferloher Bierzelt vor, wie gut Bayern dastehe. "Das schönste Land der Welt", jubilierte Mittelfranke Söder. Etliche seiner Vorgänger haben ihr Ministerpräsidentenamt auch als "schönstes Amt der Welt" bezeichnet, wobei Horst Seehofer einschränkte: "nach dem des Papstes". (Dass der sexuell enthaltsam leben muss, schien ihn in seiner Wertung nicht zu irritieren.) Auch die SPD flicht gern Elogen auf die Heimat, Natascha Kohnen sagte in Keferloh: "Ich liebe dieses Land". Ja, und selbst die qua Beruf zur Sachlichkeit angehaltenen Journalisten sind vor solcher Art Schwärmerei nicht gefeit: Wie oft hat man schon auch in dieser Zeitung lesen müssen, dass München die schönste Stadt der Welt sei.

Nun, wer bei Lonely Planet oder National Geographic etwas über die 100 großartigsten Traumziele der Welt herausfinden will, der wird eine Bestätigung dieser lokalpatriotischen Superlativen eher nicht finden. Allenfalls Neuschwanstein mag eine Erwähnung wert sein. Was aber verrät diese selbstbewusste Akzentuierung der bayerischen Schönheit, der Verweis auf die eigene Großartigkeit über die Redner und Schreiber? Ist es einfach nur Ausdruck reiner Freude am Dasein? Liebenswerter Lokalstolz? Nachvollziehbare Autosuggestion, die der Erhöhung des persönlichen Status dient - da wo man lebt, soll es halt auch besonders toll sein?! Oder doch die Kompensation eines latenten Komplexes? Wenn man etwas allzu arg und oft betont, verliert es an Eleganz und Wirkung - dass Bayern schön ist, darüber gibt es ja keinen Zweifel (es war früher vielleicht sogar noch schöner, bevor es die Autobahn- und Gewerbegebiet-affine CSU gab). Wahre Größe, wahre Schönheit muss eben nicht betont werden. Sie existiert einfach. Sie ist da wie eine Brezn. Oder die Watzmann-Ostwand.

Echte Paradebayern sind im übrigen ohnehin eher maulfaul, ihre mundartlich gefärbte Lakonie ("Öha") ist das Analogon zum Understatement des britischen Gentlemans. Landrat Christoph Göbel (CSU) gehört nicht zum Typus Sprücheklopfer, aber auch er erliegt gerne mal der Versuchung, den Landkreis München als schönsten Bayerns zu bezeichnen. Ob Berchtesgadener die östliche Münchner Schotterebene schöner als den Königssee finden, sei indes dahingestellt.

© SZ vom 08.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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