Kreis und quer:Nur noch 75 Zeilen

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Alle, die in den nächsten Wochen daheim bleiben, haben es gut: Keine Grenzkontrollen, keine überteuerten Preise, keine auf den Rücksitzen nölenden Kindern. Dafür freie Straßen und Sitzplätze in der S-Bahn. Und am allerbesten: einen Auflug aufs Lohhofer Volksfest oder zu den Wuidn Goaßn nach Haar

Von Lars Brunckhorst

Eigentlich braucht es diese Zeilen nicht. Liest ja eh keiner. Weil niemand da ist. Zumindest gefühlt. Spätestens seit Freitagmittag hat man den Eindruck, dass alle anderen weg sind. Der Aufzug rauscht ohne Zwischenstopp durch, auf den Bürofluren ist es still, in der Kantine so leer wie sonst nur zwischen Weihnachten und Neujahr und die Straßen sind es bis zum Feierabend auch. Denn pünktlich zum Schulschluss starten wieder alle in die Ferien. Zu keiner anderen Zeit im Jahr, so scheint es, verreisen so viele gleichzeitig wie an Pfingsten. Also hätte man sich diese Kolumne auch sparen können. Dann wäre man vielleicht am Freitag auch ein wenig früher raus gekommen aus dem Büro. Aber geht nicht, weil immer mehr Leser unsere Zeitung auf dem Tablet mit in den Urlaub nehmen. Also muss man noch 51 (!) Zeilen füllen, bis man zumindest ins verlängerte Wochenende gehen kann.

Das ist genug Platz, um weitere Betrachtungen über die Pfingstferien anzustellen. Denn irgendetwas ist anders heuer. Kollege S. zum Beispiel fährt erstmals nach Kroatien und Kollege B. überlegt noch, ob er entweder mit dem Zelt nach Korsika oder Sardinien soll. Kollegin E. will sogar nur für ein paar Tage ihre Familie besuchen. Lediglich Kollegin I. bleibt sich treu: Sie fährt schon seit Jahren mit ihrem Campingbus ausschließlich ins benachbarte Ausland. Seitdem Länder wie Ägypten, Tunesien und neuerdings die Türkei als Urlaubsziele ausscheiden, auf griechischen Inseln und an italienischen Stränden Flüchtlinge anlanden, wird die Auswahl knapp. Malle und Costa Brava zu voll, Ost- und Nordsee zu kalt, der Brenner zeitweise gesperrt, die Toskana schon länger out und Österreich irgendwie pfui. Für die andere Hälfte, die nicht wie jedes Jahr am Gardasee urlaubt, schrumpft Europa auf einmal ganz arg zusammen.

So gesehen haben es alle, die in den nächsten Wochen daheim bleiben, gut. Keine Grenzkontrollen, keine überteuerten Preise, keine auf den Rücksitzen nölenden Kindern: Wann sind wir endlich da? Und hinterher fragt auch keiner im Büro: Na, wie war's? Und man muss nicht lügen: Großartig! Sonne satt, Meerblick, bestes Essen. Dafür: freie Straße und Sitzplätze in der S-Bahn, leere Biergärten, Ruhe am Arbeitsplatz. Zudem Zeit für einen Ausflug aufs Lohhofer Volksfest, das dieses Wochenende anfängt, oder zum ersten Fest der Wuidn Goaßn in Haar. Kann man sich Schöneres vorstellen? Und wenn erst Pankratius, Servatius und Bonifatius sowie die kalte Sofie abgezogen sind und es doch mal schön werden sollte, geht's mit dem Rad in die Kugleralm oder an den Feringasee.

Das Schönste aber ist die Vorfreude: Denn unsereins fährt im August weg. Dann müssen die anderen hier bleiben und diese Spalte füllen. Während wir endlich bei Zeile 75 angelangt sind und für heute aufhören dürfen.

© SZ vom 14.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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